Welcome Venice
Italien 2022, Laufzeit: 130 Min.
Regie: Andrea Segre
Darsteller: Anna Bellato, Roberto Citran, Sara Lazzaro
>> www.kairosfilm.de/filme/welcome_venice/index.htm
Italienisvhes Familiendrama mit Tiefgang
Eine Stadt intim
„Welcome Venice“ von Andrea Segre
Keine Gondoliere, keine Rialtobrücke, kein Markusplatz. Venedig zeigt sich im neuen Film von Andrea Segre nahbar und dicht, schmutzig und eng. Der Tourismus ist Teil der Stadt, zeichnet sie jedoch nicht aus – so zeigt Segre Venedig aus der Perspektive einer Familie, die diesen Ort nicht nur besucht, sondern dort lebt.
Die Protagonisten des Familiendramas, das sich in kleinen Wellen zwischen Melancholie und Heiterkeit bewegt, sind Piero (Paolo Pierobon) und Alvise (Andrea Pennacchi). Sie streiten um das Haus der Familie in der Stadt und damit um ein begehrtes Kleinod für Investoren und Touristiker. Das ist jedoch ein Teil der traditionellen Fischerkultur Venedigs, die sich im 21. Jahrhundert in einem schleichenden Rückgang befindet.
Nach dem plötzlichen Tod von Toni (Roberto Citran), der gemeinsam mit Piero jeden Tag zum Fang der Flusskrebse auf die Lagune gefahren ist, versucht Alvise den verbliebenen Bruder davon zu überzeugen, das Haus für den Tourismus freizugeben. Piero jedoch, nicht nur ein eigensinniger Träumer, sondern ein waschechter Sturkopf, sträubt sich gegen den Wandel. Dieser Kernkonflikt der Handlung wird eingebettet in ein Familienpanorama. Ziele, Wünsche und Träume der einzelnen Familienmitglieder von den Großeltern, Müttern und Vätern bis zu den Enkeln werden fein gezeichnet. Die Charaktere gewinnen durch die Darstellung ihrer unterschiedlichen Beziehungen zu Venedig behutsam an Tiefe. Als Heimatstadt zeigt sich dadurch eine selten gesehene, intime Seite des Touristenmagnets. Besonders gut gelingt diese Tuchfühlung durch die Einbindung der Zeitgeschichte. Das Team um Segre hat 2021, als der Film entstand, die besondere Atmosphäre eingefangen, die im Zeichen der Pandemie in der Stadt herrschte. Wenige Menschen sind unterwegs, deutlicher tritt die Struktur der Stadt zutage, ihre Architektur, ihre flüssigen Pfade.
Während das Bild der Touristenmetropole in der Lagune verschwimmt, wird Venedig so zur naturnahen Stadt. Kameraführung (Matteo Calore) und Schnitte (Chiara Russo) fangen die nasse Tristesse ebenso ein wie die Beruhigung durch das Wasser.
Doch die Botschaft des Films geht über den Eindruck einer gelähmten Touristenstadt hinaus. Zwar bestimmt die Pandemie die Wünsche, Hoffnungen und Ängste der Familienmitglieder, gleichzeitig wird der Stadt jedoch eine Handlungsmacht zuteil: Nicht nur ist sie auf Wasser gebaut, das Wasser ist zugleich ihre belebende Quelle. Man muss schwimmen können, um in Venedig zu leben – das ist eine der eindrücklichsten Botschaften dieses Films, der trotz seiner dezenten Farben mit seinen schillernden, vielschichtigen Nuancen in Erinnerung bleibt.
(Anna Breidenbach)
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24
Ein Fest des Kinos
Die Kölner Kino Nächte präsentieren an 4 Tagen knapp 50 Filme – Festival 07/24
Der Tod, der uns verbindet
NRW-Premiere von Eva Trobischs „Ivo“ – Foyer 06/24
Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24
Sternenkriege und Weißer Terror
Volles Sommerkinoprogramm – Vorspann 06/24