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„Der Freund krank“
Foto: Gerhard Richter

Also sprach der Tumor

30. Oktober 2014

Bei Acting Accomplices ist „Der Freund krank“ – Theater am Rhein 11/14

Ein Ort im Nirgendwo. Und doch irgendwie hier, an unserer B1. Wo einst ein Aromawerk seinen penetranten Duft verqualmte. Dort ist die Welt aus den Fugen. Dort, wo einst Menschen Arbeit, Zukunft, Ruhm erhofften, hat sich menschliche Wüste breit gemacht. Strukturwandel-Land weit von Strukturwandel entfernt. Hier spielt in der Kölner Orangerie„Der Freund krank“ von Nis-Momme Stockmann, karg in den öden Theatersaal gebaut von der freien Kölner Theaterformation Acting Accomplices. Was ist geschehen?

Ich kommt in die Stadt zurück. Ich war draußen, weit draußen, hat wohl sein Glück gemacht jenseits der Aromatherapie. Doch der Mensch Ich hat dafür auch sein Wesen gedrittelt, abgespaltet, kann so die Möglichkeiten von Reaktion und Konversation steuern, drei Persönlichkeiten und ein Zwergkaninchen. Das gab es schon auf Kirks Enterprise, jetzt auch beim Immobilienmakler-Ich, erdacht von Herrn Stockmann.

Viel gibt es auf dem Beton der Orangerie nicht zu sehen, ein paar Lattengerüste mit Cellophan bezogen, ein paar Requisiten, der Sound kommt live von der Empore (Julius Richter) und in der Ecke liegt eine menschengroße Plastik-Puppe. Das ist Mirko, der Freund vom Ich, krank an der Situation, komatös, hilflos. Seine Frau Nora hat er geschwängert, dann hat er sich ins Bett gelegt. Ein Pflegefall, aber auch Indiz und Auslöser für eine dramatische Nichthandlung, die die verkorkste Umwelt spiegelt. Der Mensch mit den drei Persönlichkeiten kommt in seine alte Heimat zurück, besucht den Freund und seine Liebe und irgendwie auch das Produkt seines Handelns. Regisseur Thomas Ulrich setzt ganz auf sein spielfreudiges Ensemble, das die absurde Geschichte in Dialogen erzählt und gleichzeitig gemeinsam kommuniziert, mal als Tagebuch, mal als Vision.Nis-Momme Stockmannhat damals in Frankfurt versucht, das Theater über seine Grenze zu hebeln.

In Köln findet das Stück eine mentale Erdung durch den bereits sanierungsbedürftigen Raum. Jean Paul Baek, Jonas Baek und Marius Bechen teilen sich das dreigeteilte Wesen und die Baschi-Mofagang. Für das menschliche Chaos braucht es nicht viel. Der Zustand vollständiger Unordnung wird heute nicht nur in den Gesellschaften, sondern häufig auch im Menschen eher beiläufig hergestellt. Und so agieren die drei zusammen, gegeneinander, aber immer zielgerichtet. Komisch nur, dass es nie nach etwas riecht. Anfangs noch unsicher im Umgang mit den Bewohnern, ändert sich das schnell, wenn sie sich in Noras Wohnung einnisten, die Situation von Mirko ignorieren und die alte Liebe wieder auffrischen. Weil sie ja eigentlich nur eine Person sind, können sie auch ihre Reaktionen abstimmen und Nora (Lisa Bihl, zwischen Hartz IV und gekilltem Zwergkaninchen) langsam wieder für sich vereinnahmen. Und das Trio rockt den Saal vorzüglich.

Doch die Handlung versandet im bösen Nichts. Oder gibt es das etwa auch nicht? Nora durchschaut den Immobilienmakler, wie die Bewohner der Stadt auch. Skurril geht alles zugrunde. Nora stürzt sich zu Tode, Mirko wird noch schnell heimlich, aber lebendig begraben. Die Egos lösen sich im Phantastischen auf. Zitat: Es gibt keine Fakten, es gibt nur Interpretationen (Nietzsche): Oder war alles doch nur der Wahn eines Tumors?


„Der Freund krank“ | R: Thomas Ulrich| 25.11.-28.11. 20 Uhr | Orangerie, Köln | 0221 952 27 08

PETER ORTMANN

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