„Can we talk about this?“. Eine Frage, die wir sicher moderat mit der Entgegnung: „Ja, darüber können wir sprechen“ beantworten würden. Aber man kann diese Frage auch provokant verstehen. Lässt sich noch darüber debattieren, dass Frauen wegen Ehebruchs gesteinigt werden sollen? Dass Mädchen beschnitten werden? Dass Salman Rushdie getötet werden soll, weil sich Muslime von seiner Prosa gekränkt fühlen, oder Botschaften angezündet werden, weil in Dänemark eine Karikatur über den Propheten Mohammed veröffentlicht wird? Der australische Choreograph Lloyd Newson meint, hier hört das Verständnis auf. Hier geht es nicht mehr darum, sich in die religiös-ideologischen Befindlichkeiten der Muslime einzufühlen, sondern die Menschenrechte zu verteidigen, und vor allem darum, sie zu schützen.
Newson und seine Tanz-Kompanie DV8 lieferten mit ihrer Gastspielproduktion „Can we talk about this?“ im Schauspiel Köln eine buchstäblich atemberaubende Vorstellung. Unablässig wird geredet und zugleich getanzt. Besitzt das Wort üblicherweise in Tanzproduktionen den Status einer inszenatorischen Ungeschicklichkeit, präsentiert Newson eine eigene Rhetorik der Körpergesten. Während etwa von der liberalen Unschlüssigkeit berichtet wird, mit der man in Großbritannien islamische Erziehungspraktiken oder die Misshandlung von Frauen duldet, sieht man die Darsteller mit wackelnden Köpfen über die Bühne schreiten.
Jeder Satz wird im Rhythmus aufgenommen und findet tänzerischen Ausdruck. Üben sich die Tänzer in schlaksiger Lässigkeit, spricht man gerade über die moralische Indifferenz des Westens. Den Satz: „We can talk about this“ soll der niederländische Filmemacher Theo van Gogh zu seinem Mörder, einem muslimischen Fanatiker, gesagt haben, als der ihn mit einem Fleischermesser auf bestialische Weise traktierte. Newson lässt die Szene von einem Mann und einer Frau nachspielen. Der Redestrom ergießt sich während dessen ungehindert fort. Mitunter scheint Newson mit seinem innovativen Umgang von Wort und Tanz ein neues Medium zu kreieren.
Allerdings fließt der Fluss nur in eine Richtung. Die Gewaltakte und die zahlreichen Beispiele für die Intoleranz islamischer Traditionalisten und Ideologen gießt Newson wie ein scheinbar unerschöpfliches Füllhorn aus Hass und Menschenverachtung vor seinem Publikum aus. Und wenn das dann am Ende begeistert klatscht, fragt man sich für einen Moment, ob das nun Zustimmung für die Gesinnung des Australiers oder Begeisterung für seine künstlerische Arbeit ausdrücken soll. In jedem Fall bietet Lloyd Newson politisches Theater mit der Wucht eines Keulenschlags, unmissverständlich aber in seiner Ästhetik von einer einzigartigen Virtuosität. Von ihm kann man lernen, möglicherweise prägt der Australier mit seinen vokalen Stilelementen ja in Zukunft auch das Geschehen auf unseren Tanzbühnen.
„Can we talk about this?“ | Choreographie: Lloyd Newson | Fr. 2.12., 20 Uhr | Schauspiel Köln | www.schauspielkoeln.de
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