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Künstlerisch veranlagte Teppichklopfer: MusikerInnen und AutorInnen aus Polen und Deutschland treffen bei „Kosmopolen in EUforia“ in Bochum aufeinander
Foto: Presse

Den Staub aus der Geschichte klopfen

25. April 2012

Deutschland und Polen – da war doch was? Klopsztanga – das binationale Kulturfestival in NRW – Festival in NRW 05/12

Eine Museumsecke in zwei Varianten: einmal als normale Wahrnehmung, einmal über einen Fernseher, der auf einem Sockel steht und durch sein Lupenglas die gleiche Ecke verkleinert zeigt. Die Spannung von wahrgenommener und dargestellter Realität, wirklichem und medialem Raum wird in der Installation „Corner“ (1976) des polnischen Künstlers Ryszard Waśkos minimalistisch konzentriert. Waśkos Arbeiten als Foto-, Film- und Videokünstler markieren über 50 Jahre polnische Kunst. Jene Zeitspanne von den 1970ern bis heute, in der die Transformation von der sozialistischen zur demokratischen Gesellschaft den Wendepunkt markiert. Ab hier ist die Kultur nicht mehr politischer Dienstleister, sondern Teil des freien Marktes. Beim Festival „Klopsztanga – Polen grenzenlos NRW“, das am 15. April mit einem Festakt in der Kölner Oper begann, ist diese Zäsur und ihre Verarbeitung in der Kulturlandschaft Polens ein Schwerpunkt. Dr. Christian Esch, Direktor des KULTURsekretariats NRW, das mit dem polnischen Kulturinstitut Adam Mickiewicz und dem Polnischen Institut Düsseldorf „Klopsztanga“ entwickelt hat, verweist auf diese spezielle Erinnerungskultur: „Die Verankerung in der problematischen Vergangenheit ist ein wesentlicher Impuls für die polnische Kunst, die jedoch nicht rückwärtsgewandt, sondern durchaus avanciert ist“. In mehr als 20 Städten und bis in den Oktober hinein gastieren polnische KünstlerInnen mit ihren Produktionen in NRW. Nach 2011, als der Turnus genau andersherum lief, ist dies für Polen die Gelegenheit, seine kulturellen Aushängeschilder zu präsentieren.

„Für das Adam Mickiewicz-Institut war es wichtig, herausragende polnische Kultur zu zeigen. Für uns war es darüber hinaus wichtig, in den Städten möglichst viel zeigen zu können, so dass ein Geflecht von Städten entsteht. In das Gefäß dieses Netzwerkes hat das Mickiewicz-Institut zusammen mit uns den Inhalt getan“, resümiert Esch die gemeinsame Arbeit.

Keine Schaufenster-Kultur

Zugleich wollen beide Veranstalter nicht den Verdacht aufkommen lassen, man würde nur Leuchttürme in den Raum stellen und nach dem Abbauen der Festivalzelte weiter in stiller Koexistenz verharren. „Für uns beide war es wichtig, dass wir keine Schaufenster-Kultur zeigen wollen, sondern etwas Interessantes und Nachhaltiges. Auch das Logo ist ja so angelegt, dass es mehr überrascht als Glanz zu vermitteln“, so Esch. In der Tat ist die Teppichstange („Klopsztanga“) aus den schlesischen Hinterhöfen nicht sofort das, was man mit Kunst, Theater, Musik oder Tanz in Verbindung bringt. Aber das Quergestänge ist auch ein regelmäßiger Treffpunkt unter Nachbarn gewesen, an dem man sich austauschte und Geschichten erzählte. In diesem Rahmen soll die „Klopsztanga“ für die interkulturelle Zusammenarbeit beider Länder stehen. Dabei ist vor allem die Menge der Gastspiele bei anderen Festivals in NRW bemerkenswert. Polnische Bands werden bei Events wie der c/o pop in Köln, dem Open Source in Düsseldorf oder den Juicy Beats in Dortmund auftreten, junge polnische SchriftstellerInnen und MusikerInnen treffen sich in der Bochumer Christuskirche zu „Kosmopolen in EUforia“. Während häufig im öffentlichen Diskurs die europäische Währungs- mit einer Identitätskrise einhergeht, will man hier die Debatte um einen europäischen Wertediskurs anstrengen. Gilt der Blick in Bochum einer gemeinsamen deutsch-polnischen Zukunft, so schaut man in Neuss beim Polnisch-Deutschen Performance-Festival in die Vergangenheit beider Nationen. „Vorsicht heiß / Uwaga gorące“ nennt sich der Flickenteppich aus individuellen Schicksalen, die von KünstlerInnen in Performances erzählt werden. Dort soll der Dialog da weitermachen, wo die Politik bereits aufgab. Einen schweren Stand hat der polnische Autorenfilm, sowohl in seiner Heimat als auch in Deutschland. Unter dem Titel „Polnischer Film on Tour“ werden erstmals Produktionen in Köln, Aachen, Münster und Dortmund in Anwesenheit der jungen RegisseurInnen laufen.

Anarchische Komponente
Die Arbeitsbedingungen für polnische Kulturschaffende haben sich in den letzten Jahren verbessert. Dennoch hängt es vor allem auf kommunaler Ebene häufig von Eigeninitiativen und Kooperationen mit Nicht-Regierungsorganisationen ab, inwieweit Kulturproduktionen realisiert werden können. Neben dem Kulturetat des Staates, der in Polen 2009 0,5% der Gesamtausgaben betrug (in Deutschland waren es 1,9%), sind es die dezentralisierten Institutionen zur Kulturförderung wie das Adam Mickiewicz-Institut, die eine Finanzierung von künstlerischen Projekten ermöglichen. Dass auch Polen kein Eldorado für Kulturschaffende ist, schadet aber nicht dem Erfindungsreichtum. Im Gegenteil, das Erbe der Zensur hinterließ eine subtile Ausdrucksvielfalt, die sich auch in den Arbeiten niederschlägt. So spricht Esch von einer „anarchischen Komponente in der polnischen Kunst, in der man sich sträubt, schnell eingeordnet und unter irgendeinem Gesichtspunkt gefasst zu werden“. Ryszard Waśko hat seinen subtilen Nonkonformismus in den 1970ern im Workshop Film Forum gefunden. Eine Auswahl seiner Werke ist ab dem 3.5. in der Alten Feuerwache Köln bei „elektronicski – Klang und Filmexperimente“ zu sehen.

Weitere Klopsztanga-Termine im Mai:

Ab 3.5. „Polnischer Film on Tour“ in Köln, Aachen, Dortmund und Münster
4.-6.5. „Kainkollektiv mit FASADA ½“ im FFT Düsseldorf
4.-13.5. „Kosmopolen in EUforia“, Christuskirche Bochum
11.-13.5. „Deutsch-Polnisches Expertentreffen“, Schauspielhaus Bochum
11.-13.5. „Polnisch-Deutsches Performance Festival“, Kulturforum Alte Post Neuss
16.5.-30.6. „Erinnerung an Arbeit“, Ausstellung Zeche Zollverein Essen
29.5. „two sample“, Hochschule für Tanz und Musik Köln

Alle Programmpunkte unter www.klopsztanga.de

DAWID KASPROWICZ

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