Am 21. April erwachen die Sechziger wieder zum Leben. Wie damals ziehen junge Menschen durch die Plattenläden, um möglichst schnell die neuesten Releases kaufen zu können. Denn am 21. April ist Record Store Day und Plattenlabels aus aller Welt nutzen die Gelegenheit, limitierte Vinyl-Pressungen unter die hungrigen Plattensammler zu bringen.
In Deutschland haben Cargo Records den Record Store Day ins Leben gerufen. Cargo ist einer der wichtigen Vertriebe für Vinylplatten, in ihren Büros in Wuppertal-Vohwinkel ist auch ein Geschäft untergebracht, in dem nur Schallplatten verkauft werden. „Vinyl ist in unserem Programm zwar eine Nische“, meint Ralph Buchbender. „Aber diese Nische ist stabil und wächst.“ Dafür verantwortlich sind im Wesentlichen zwei Gruppen von Musikhörern. Für die einen ist Vinyl die hohe Kunst des Musikgenusses: ein haptisches Erlebnis, das man am besten mit dem entsprechenden HiFi-Equipment als hochwertige 180g-Pressung, gerne auch als Reissue, genießt. Für die anderen ist Vinyl in erster Linie ein Abgrenzungsmedium in der Gegenwart. Schließlich können heute alle jede Musik jederzeit konsumieren, aber nicht jeder kann sich das richtige Vinyl zu leisten.
Gemeinsam haben alle Vinyl-Aficionados jedoch die Herkunft der Objekte ihres Begehrens: das Presswerk. In einem Industriegebiet im niederländischen Haarlem steht mit Record Industry das größte europäische Exemplar seiner Art. Gegründet wurde es 1958, in den Sechzigern stieg CBS ein und nutzte es für seine europäische Vinylproduktion. Michael Jacksons „Thriller“ wurde ebenso wie die frühen Alben von Bob Dylan in Haarlem gepresst. Erst Ende der Neunziger trennte sich Sony, das CBS 1987 gekauft hatte, von dem Presswerk, aber gekappt sind die Verbindungen nicht. Music-on-Vinyl, ein Label, auf dem hauptsächlich hochwertige 180g-Reissues veröffentlicht werden, bedient sich aus dem Backkatalog von Sony und seines Indie-Ablegers Creation (Oasis, Teenage Fanclub). „Wir pressen täglich 20.000 bis 25.000 Platten“, erzählt Reinier Lepeben von Record Industry. „40 bis 50 Prozent davon sind Reissues.“
Aber egal ob Oasis-Reissue oder aktuelle Dubstep-Platte – eine Vinylproduktion ist ungleich aufwändiger als die Herstellung einer CD. Dies beginnt beim Mastering, also dem endgültigen Mix, der auf den Tonträger gebannt wird. Während eine Datei für ein digitales Medium möglichst laut gemastert wird, ist für das Vinyl ein anderes Mastering ideal. Von einer fertig gemasterten Platte wird dann ein Prototyp aus Nickel erstellt, der bis zu 100 Jahre halten kann und als Vorlage in der Vinylpresse dient. Auf ca. 180 Grad muss das Vinyl erhitzt werden, damit man eine Platte pressen kann. Jede Stunde werden die Pressungen kontrolliert. Findet man einen Mangel, beginnt die Fehlersuche unter dem Mikroskop. Schon ein kleines Staubkorn kann Sprünge auf der fertigen Platte verursachen, die dazu führen können, dass der gesamte Herstellungsprozess von vorne beginnen muss. So viel Feinarbeit wird belohnt – die Aura einer Schallplatte ist auch 130 Jahre nach ihrer Erfindung ungebrochen.
Record Store Day in Deutschland: www.recordstoreday.com
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