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Die „Exuviae“-Bühne
Foto: Magdaléna Kobzová

Geheimnis im Silberwald

07. März 2012

Starke Tanz-Performance von Yoshie Shibahara in der Orangerie – Tanz in NRW 02/12

„Exuviae“ ist das lateinische Wort für eine abgelegte Tierhaut oder für eine leere Hülle. Die Orangerie des Volksgartens hängt voller lebensgroßer silberner Gestalten. Aus wechselnden Perspektiven wirken sie wie Puppen oder chinesische Krieger in Reih und Glied, oder wie eine dichte Menschenmenge. Tatsächlich beginnen sich diese Hüllen aus Stanniol zu verändern, nachdem das Licht erloschen ist. Die in Köln lebende japanische Choreographin Yoshie Shibahara ist immer für eine ästhetische Überraschung gut. So auch diesmal, denn während die silbernen Hüllen der Installation leise im Wind schwingen, agiert der Butho-Tänzer Yoshihiro Shinomura zwischen ihnen, er lädt die Menge mit einer Unruhe auf, die den Blick der Betrachter fesselt.

Zugleich ironisiert Yoshie Shibahara das geheimnisvolle Treiben im Silberwald, indem sie gleich einer Museumswärterin die Aufsicht führt oder am Katheder aus der Thermoskanne Tee trinkt und Chips knabbert. Die faszinierende Kontemplation, die der Tänzer zwischen den Figuren im Raum erzeugt und mit der er im gleitenden Fluss der Bewegung das Zeitgefühl aufzulösen scheint, ironisiert Shibahara mit entwaffnender Tatkraft. Die Musik von Hannes Hoelzl, die wohltuend frei von bekannten Klangbildern bleibt, und die dezent-poetische Lichtdramaturgie von Wolfgang Pütz runden die Performance perfekt ab. Weihevolle Esoterik vermag sich allerdings gar nicht erst zu entfalten. So nimmt sich Yoshie Shibahara eine der Gestalten vor und bügelt sie vor aller Augen platt, um sie anschließend wie ein Wäschestück zusammenzufalten.

Diese Performance zeigt eine subtile Ironie, die in der Tanzszene ihresgleichen sucht. Augenzwinkernd demonstriert die Japanerin, wie sich die abendländischen Gegensätze von Innen und Außen auflösen. Innerlichkeit wird hier angedeutet, um dann wieder als Chimäre entlarvt zu werden. Oberfläche scheint banal und lädt sich dann doch mit beziehungsreicher Sensibilität auf. „Exuviae“ erweist sich als ein Kunstwerk, in dem die Japanerin den ganzen Reichtum ihres kulturellen Hintergrundes einbringt, um essenzielle abendländische Vorstellungen vom menschlichen Sein humorvoll zu reflektieren. Ein überaus fruchtbarer Dialog der Kulturen, den Yoshie Shibahara zu entzünden vermag. Es gibt nur wenige Künstler, die über eine solch komplex entwickelte Ästhetik verfügen.

Thomas Linden

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