Kölner Bezirksbürgermeister leben die repräsentative Demokratie und möchten für ihr Amt mehr Zuständigkeiten. Sie kommen direkt aus dem Veedel und kennen daher die Bedürfnisse der Menschen. Dieter Wolf im Gespräch mit drei Politikern, die ihr Amt gerne ausüben.
choices: An der Spitze der Stadt stehen ein mächtiger Oberbürgermeister und seine Stellvertreter. Wo stehen die Bezirksbürgermeister?
Josef Wirges: Wir neun Bezirksbürgermeister haben uns zusammengeschlossen und halten regelmäßige Treffen ab. Wir haben einen Quasi-Vorstand aus unserer Mitte gewählt. Als langjähriger Bezirksbürgermeister von Ehrenfeld habe ich dabei die Sprecherfunktion. Jede der großen Kölner Parteien stellt je einen Stellvertreter. Das ist für die CDU Helga Blömer-Frerker, die Bezirksbürgermeisterin des Stadtbezirks Lindenthal, und Andreas Hupke, der Bürgermeister der Innenstadt, für die Grünen.
Welche Möglichkeiten haben die Bezirksbürgermeister, sich bemerkbar und politischen Einfluss geltend zu machen – auch gegen den OB und den Rat?
Helga Blömer-Frerker: DerErfolg unserer Arbeit misst sich an einem anderen Arbeitsansatz. Ich bin eine erklärte Anhängerin der repräsentativen Demokratie. Ich sehe es als meine Aufgabe an, ständig für einen Ausgleich zwischen Bürger und Politik zu sorgen. In der Praxis heißt das: Vor einer weitreichenden Entscheidung muss eine Bürgerversammlung stattfinden, nicht hinterher. In der Arbeit einer Bezirksvertretung sind reine Mehrheitsentscheidungen schädlich, nur eine geschlossen auftretende Bezirksvertretung gewinnt gegenüber dem Rat an Stärke.
Andreas Hupke: Ich komme ja von meiner eigenen politischen Geschichte aus der Bürgerbewegung. Was meine tägliche Arbeit betrifft, sage ich: Je präsenter ich vor Ort bin, desto weniger Anrufe und Briefe kommen ins Büro. Ich sehe mich in erster Linie als Dienstleister. Und auch heute fühle ich mich als Bezirksbürgermeister als Gleicher unter Gleichen, vielleicht einen Millimeter gleicher (lacht).
Wirges: Ich fühle mich wie der Transmissionsriemen zwischen dem Motor – den Bürgern – dem Getriebe, also der städtischen Verwaltung und Politik. Als Sprecher des Gremiums gehört es zu meinen Pflichten, bessere Bedingungen für die Bezirkskompetenz zu erreichen. Das klappt aber nur, wenn in unserem Bezirksbürgermeistergremium alle großen Parteien eingebunden sind. Wir verstehen uns als ein Leistungsgremium. Außerdem spielt der Bezirksbürgermeister auch die Rolle eines Ombudsmanns.
Sind Sie mit den Rahmenbedingungen für Ihr Amt zufrieden? Gibt es Wünsche zur Verbesserung?
Wirges: Da ist vor allem die geringe Befugnis in Haushaltsfragen zu nennen. Der Gesetzgeber muss uns besser ausstatten. Mit einer Verbesserung der Zuständigkeitsordnung müssen wir zu semi-professionellen Verhältnissen wie beispielsweise in Berlin kommen.
Hupke: Schauen wir alleine auf unseren städtischen Haushalt. Köln hat ein Haushaltvolumen wie das Bundesland Saarland. Und das alles mit ehrenamtlichen Politikern! Das ist im Grunde ungeheuerlich.
Blömer-Frerker: Wir wollen nicht grundsätzlich gegen die Verwaltung arbeiten. Mir ist es immer wichtig, mich in meinem Bezirksrathaus mit meinem Amtsleiter zu vertragen. Dann lässt sich mehr erreichen.
Stichwort Zuständigkeitsordnung. Sie regelt was?
Wirges: Ich verhandele als Sprecher seit längerem mit dem Oberbürgermeister und der Hauptverwaltung über eine Änderung der Zuständigkeitsordnung. Ich will mehr Entscheidungsbefugnis für die Bezirke, was zugleich mit einem größeren Finanzetat für uns verbunden ist. In wichtigen Fragen soll der Bezirk mehr als nur ein Anhörungsrecht haben. Es geht dabei immer auch um die Frage, was rein bezirkliche Angelegenheiten sind und welche Aufgaben als überbezirkliche Probleme in die Zuständigkeit des Rates fallen. Hier sind wir momentan schon weit, und eine Einigung steht bevor.
Vom Geld einmal abgesehen, welche Themen beschäftigen Sie überhaupt?
Wirges: Da wäre vor allem das Gebäudemanagement, Ordnungsangelegenheiten und Grünpflege zu nennen. Hier hat sich gezeigt, dass die Zentralisierung dieser Bereiche vor vielen Jahren ein Fehler war. Das gilt es rückgängig zu machen. Wir wissen vor Ort doch viel besser, was beispielsweise an unseren Schulen im Bezirk Not tut. Aber auch, was bei unseren Grünanlagen im Argen liegt.
Blömer-Frerker: Gerade was das Grün betrifft, baue ich vor Ort auf die Grünstiftung, die Geld für bezirkliche Projekte beschaffen kann. Welche Möglichkeiten sich da eröffnen, wurde besonders bei der Regionale 2010 deutlich. Da konnten wir auch Landesmittel einsetzen. Dezentral funktioniert das besser. Und vieles lässt sich meiner Meinung nach auch mit Hilfe des Zweiten Arbeitsmarktes lösen.
Hupke: DieDevise für uns muss lauten: So viel dezentrale Verwaltung wie möglich, so viel zentrale Verwaltung wie nötig. Wir sind im Viertel schließlich näher dran.
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