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„Seeschlacht“
Foto: Volker Lippmann

Im Nebel der Emphase

27. Februar 2014

„Seeschlacht“ im Theater Tiefrot – Theater am Rhein 03/14

Den Mut hat kein anderes Theater in Köln. Das Theater Tiefrot hat zur Erinnerung an den 1. Weltkrieg nicht die obligate Lesung veranstaltet, sondern tief in die Literaturkiste gegriffen und Reinhard Goerings Einakter „Seeschlacht“ heraufbefördert. Ein hochpathetisches expressionistisches Drama, 1918 uraufgeführt, das sechs Matrosen in einem Panzerturm während einer Kampfpause zeigt. Wie so oft bei Volker Lippmann wirkt die ästhetische Durchgestaltung eher nachlässig: Ein paar Matratzen und ein kleiner Turm aus Holzkisten dienen als Bühnenbild, die musikalische Untermalung mit Musik von Igor Strawinsky ist unkoordiniert, die Videoeinspielung mit Kriegsbildern konventionell. Doch die Annäherung an den Text überzeugt dann umso mehr.

Fünf junge Schauspielerinnen in weißen Anzügen nähern sich dem dichten, hochgestelzten Text – die Klippe des Naturalismus ist damit umschifft, ohne zugleich die Emphase abzuwürgen. Die jungen Matrosen turnen über Kästen und Matratzen – Jungs, die in sich eine dumpfe Sehnsucht spüren, vom Krieg als Wettkampf faseln oder von Frauen auf Samoa träumen. Nur der fünfte Matrose zuckt in einer Wandnische vor sich hin („Einer, der Angst vorm Sterben hat!“). Man ahnt etwas von pubertärer Kriegsbegeisterung, die noch nichts vom Grauen der Materialschlacht weiß. Als dann endlich die Aufschneider in einen von Albträumen durchsetzen Schlaf fallen, entspinnt sich ein Dialog zwischen dem dritten und fünften Matrosen. Einsam sitzen sie auf dem höchsten Punkt der Kästen und stochern im Empfindungsnebel.

Zweifel an weltlichen und transzendenten Autoritäten kommen auf, Macht und Besitz werden in Frage gestellt – bis eine utopische Hoffnung heraufdämmert, dass da mehr sein könnte „zwischen Mensch und Mensch“. Doch bevor die Meuterei Faktum wird, tauchen Schiffe auf: „Die Schlacht geht weiter!“. Matrose fünf gliedert sich wieder in die Gruppe ein und dann geht es ans Sterben. Lippmann findet eine beachtliche sprachliche Form, die bei allem Pathos nie ins Lächerliche abgleitet. Er schafft historische Distanz und geschlechtliche Verfremdung, ohne die emotionale Nähe zu gefährden. Am Schluss franst die Inszenierung allerdings mit chorischem Sprechen, Off-Stimme und „Le Sacre du Printemps“ kräftig aus. Trotzdem eine überzeugende Annäherung an einen komplizierten Text.

„Seeschlacht“ | R: Volker Lippmann | Do 6.3., Fr 7.3. 20 Uhr | Theater Tiefrot | 0221 460 09 11

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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