Köln ist schon länger eine grüne Stadt. Mit rund 800 Hektar ist der Äußere Grüngürtel die größte städtische Grünanlage – die Hälfte davon Wald. Der Innere Grüngürtel soll dazu in nächster Zeit weiter ausgebaut werden. Von 26 Hektar neuem Grün allein für die Südstadt ist die Rede.
Doch inzwischen entsprechen die Parks nur noch bedingt den Wünschen der heutigen Kölner. „Die Ansprüche der Bürger an das kommunale Grün nehmen immer mehr zu“, weiß Dr. Joachim Bauer, im städtischen Gartenamt zuständig für Stadtgrün und Forst. Grünfläche war gestern. Heute ist Urban Gardening angesagt. Es geht um eine neue Gestaltung von Stadtlandschaft – wobei darunter auch Balkons, Dächer oder Terrassen fallen. Wenn der Boden verseucht ist oder auch nur vorübergehend nutzbar, weicht man auf mobile Pflanzkisten und transportable Hochbeete aus. Und dem Guerilla-Gärtner ist für das Ausbringen von Samen keine Fläche zu klein. Sogar die traditionellen Schrebergärten, vor kurzem noch als muffig und spießbürgerlich verachtet, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Es soll hier sogar schon Wartelisten geben. In jedem Fall ist der Bestand dieser Flächen in Köln zu 83% auf Dauer durch das Bundeskleingartengesetz gesichert. Dank der neuen Interessenten dürfte das Durchschnittsalter der Pächter und Eigentümer der Gärten allmählich auf die magische 50 sinken.
Urbane Gärtner
Kleingärten gibt es in deutschen Städten seit mehr als 200 Jahren. Schon die ersten „Armengärten“ sollten – billig und gesund – Ernährungslücken schließen, die ihnen nachfolgende Gartenbewegung mühte sich dazu um den Aufbau innerstädtischer Parks ebenso wie um die Errichtung von Schulgärten. Initiator der fast schon „ökologischen“ Initiative war ein Schuldirektor namens Ernst Innozenz Hauschild und nicht etwa der Namensgeber der dann sogenannten „Schreber-Gärten“. (Moritz Schreber hingegen war eher an der Aufzucht des „perfekten Menschen“ als an der Aussaat von Möhren interessiert, galt allerdings als Volksaufklärer. Ihm zu Ehren benannte Hauschild seine Idee nach Schreber.) Jedenfalls war der Trend zu der privaten wie der öffentlichen Gartenanlage in der Stadt nicht mehr zu stoppen. Der Wunsch nach eigenem Gemüse, nach Erholung und Entspannung daheim im Grünen trotzte sogar der autogerechten Stadt. Mit den ersten interkulturellen Gärten tauchte Mitte der 1990er Jahre ein neuer Nutzertyp auf. Ein gutes Fünftel der Kölner hat einen Migrationshintergrund, manch einem fehlte es, „die Erde mit eigenen Händen zu bearbeiten“, wie es der 2005 gegründete „Interkulturelle Garten Köln e.V.“ formulierte. 2007 erhielt die von einem breiten kommunalpolitischen Bündnis unterstützte Initiative sofort den Ehrenamtspreis der Stadt. Ein anderer Anstoß zu der aktuellen neuen Gartenbewegung kam ebenfalls aus der Ferne. Zu Zeiten, da Köln sich noch zusammen mit New York als Weltkunstmetropole feierte, waren jenseits des Atlantiks schon die ersten „Green Guerillas“ unterwegs.
Operation Grüner Daumen
Die Motive für die Einrichtung der ersten „Community Gardens“ („Gemeinschaftsgärten“) in New York City erinnern an die frühen Anfänge hierzulande. Sie entstanden vor allem in sozial schwachen Stadtteilen und sollten helfen, die allgemeine Lebensqualität vor Ort zu verbessern. Es ging um die Kombination von Ernährung und Ökologie, Gesundheit und sozialem Engagement.Es wurde nicht nur gepachtet, sondern auch besetzt, man wollte nicht nur mobile Gärten, sondern „Grünflächen“ inklusive deren landwirtschaftlichen Nutzung auf Dauer bis hin zu der Einrichtung innerstädtischer „Bauernmärkte“.
In den letzten Jahren ist auch in Köln die Zahl der Menschen und Gruppen, die sich dem urbanen Gärtnern in seinen vielfältigen Varianten verschrieben haben, stetig gewachsen. In Ehrenfeld zum Beispiel ist das „Design Quartier Ehrenfeld – DQE“ aktiv und möchte für viele „offene“ grüne Flächen sorgen. „Leider fehlt in Ehrenfeld vor allem eines: Grün.“, konstatiert der Kulturmanager David Brocchi. Mittlerweile ist Urban Gardening fester Bestandteil von Creative City. In der Südstadt und in Kalk bewirtschaften „Neuland“ und die „Pflanzstelle“ mobile Gärten. An der Uni sorgt sich der Nachwuchs um den Campus-Garten, über den Dächern von Chorweiler erntet eine Seniorengruppe demnächst himmelnahe Kartoffeln. Es gibt „gartenglück“ und „Balkonkarawane“, dazu Dienstleistungen fürs ökologische Pflanzen aller Art. Im Herbst wollen Stadt und LVR sogar einen Rundweg nebst Wanderkarte zum Thema vorstellen. Die Botschaft über alldem: Die Gärten sind Teil der Stadt und kein Gegensatz zu ihr; sie wirken mitten im Quartier als öffentliche und kommunikative Begegnungsstätten. Bürgerschaftliches Engagement gehört natürlich dazu – hier wie in New York oder Hamburg, Hanoi, Singapur oder Havanna.
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Das "Dr Bauer- Zitat im richtigen Zusammenhang
Hier ist der Artikel, aus dem das "Dr. Bauer- Zitat" stammt. Die Verwendung des Zitates durch Wolfgang Hippe ist eine vollständige Verdrehung des Zusammenhangs.
http://www.flaechenmanager.com/Dr-Joachim-Bauer-Leiter-Abteilung-fuerStadtgruen-und-Forst-im-Gartenamt-Koeln-Hoehere-Ansprueche-mehr-Qualifikation,QUlEPTMwNjA3NjMmTUlEPTEwMTE1MA.html
one-way ?? Nein, keinesfalls !!
Vom Urban Green zum Urban Gardening - one-way ?? Nein, keinesfalls !!
Der Artikel wird der Bedeutung der Kölner Grünflächen als "Volksparks" nicht gerecht. Ich halte es auch für sehr gewagt, die Aussage von Dr. Bauer, "Die Ansprüche der Bürger an das kommunale Grün nehmen immer mehr zu" in Zusammenhang zu stellen mit dem Standpunkt "Grünfläche war gestern".
Ich zumindest teile diesen Standpunkt ausdrücklich nicht. Die Parks als Volksparks, strukturierte Grünflächen und die Waldgürtel, die Park- und Straßenbaumbestände, all das bildet das Rückgrat des Urban Green. Urban Gardening, Fassadenbegrünung und insbesondere in die Bebauung integrierte "vertikale Gärten" können ausgezeichnete Ergänzung sein.
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