Draußen vor der Türe des Comedia-Theaters stand eine große Menge sehr junger Menschen. Gibt es etwa einen Kindergeburtstag zu feiern? Mitnichten; es gab mal wieder Theater für den ganz kleinen Nachwuchs, „ab 4“ steht im Programm. Die Pressechefin des Hauses beruhigte den Rezensenten auf seine Nachfrage, ob sich die theatererfahren Enkelinnen (10 und 12) eventuell langweilen würden. Ganz im Gegenteil, sie selbst habe sich bei der Generalprobe köstlich amüsiert.
Jutta Maria Staerk ist schuld! Die studierte Theaterfrau ist seit 2008 künstlerische Leiterin der Comedia; unter ihrer Obhut haben viele Stücke erfolgreich das Theaterlicht erblickt. Ihr jüngstes „Opfer“ ist das entzückende Kinderbuch „Monsta“ von Dita Zipfel, kongenial illustriert von Mateo Dineen. Er zeichnet überwiegend furchteinflößende wie wunderschöne Monster, während Dita Kinderbücher und Theaterstücke schreibt.
Die Geschichte vom Monsta, das bei Kindern unter dem Bett oder sonst wo haust, ist vom Tulipan-Verlag als rezeptfreie Therapie für alle möglichen Monsterängste auf den Markt gebracht worden. Sehr geschickt ist die Idee der beiden Autoren, nicht die ängstlichen Kinder zu zeigen, die sich vor dem Monsta fürchten, sondern die Verzweiflung eines Monstas, weil sich trotz seiner vielen Monstergeräusche und Grimassen niemand vor ihm fürchtet. Und welches sich zum Schluss frustriert überlegt, zu kündigen, um bei einer Geisterbahn zu arbeiten, denn da würde es noch gebraucht. Da hätte man noch Respekt vor der „Monstrigkeit“.
Bei Kindern kann das ganz anders laufen. Sie kommen verängstigt und schweißnass ins Elternschlafzimmer mit dem Hinweis auf ein Monster in ihrem Zimmer. Mit logischen Argumenten lässt sich das Problem nicht lösen, aber vielleicht mit einem Theaterstück nach dem Monsta-Buch. Das haben Sarah Victoria Wagner (Regie) und Jutta M. Staerk (Dramaturgie) entzückend und mit vielen Rechtschreibfehlern in Szene gesetzt – und vor allem für die Kinder nachvollziehbar. Auf der Bühne von Sarah Sauerborn steht in der Ecke ein kleines rundes Universal-Möbelstück, gleichzeitig Schreibtisch und Regal mit einem Hocker in der Mitte und einem kleinen Bettchen auf der Ablage. Die eigentliche Bühne ist gleich daneben, aber im XXL-Format, mit einem überdimensionalen Federball. An der Wand hängt ein riesiges Bettlaken-Poster mit einem von Kinderhand gezeichneten Monstergeist, dazu liegen etliche farbige Klötze auf dem Boden neben einer überdimensionalen Socke. Das ist die Vergrößerung eines ganz kleinen Bettes auf dem Möbelstück, das „Monsta“ liegt ganz winzig auf dem Bettchen. Also alles eigentlich ganz einfach und harmlos.
Die beiden Spieler Marie Anjes Lumpp und Franco Melis streiten zuerst, wer das bessere Monsta ist, mit schrecklichen Schreien und Grimassen. Denn sie waren sogar auf einer Monsterschule und einer Monster-AG – jedes „Kint“ hat schließlich ein Recht auf Grusel. Und singen erst einmal ihren Vorstellungs-Song mit allerlei schrecklichen Geräuschen und Aktionen: „Rütteln, Schütteln, Klappern, Schnattern, Türen quietschen, Zähne fletschen.“ Und nun versuchen sie gemeinsam ein „Kint“ so zu erschrecken, dass es nicht schlafen kann – vergebens. Marie Anjes ist die Mutter des Kindes und spielt auch die Monster-Mutter; denn alle Monster haben Mütter und sind dazu da, Kinder zu erschrecken. Doch sie schaffen es nicht, in das Leben eines Kindes einzudringen – im Gegenteil, man bringt ihnen sogar Sympathie entgegen. Die Wissenschaft spricht hier von einer regelrechten „Angstlust“, denn Kinder können mit Monstern aus Filmen oder Büchern ihre Ängste bewältigen.
Das Buch sollte man bei „Monsterbefall“ mit dem eigenen Kind lesen und besprechen. Denn die beste Therapie ist das Wissen, dass ein Kind, das sich nicht fürchtet, kein eigenes Monster verdient. Basta. Und dann kann es prima schlafen – und die Eltern auch. Die beiden Enkelinnen und der Rezensent hatten auf jeden Fall einen Höllenspaß an dem Stück, der Inhalt wurde zu Hause immer noch lange diskutiert.
„Monsta – Ich pass auf dich auf, wenn du schläfst...“ | R: Sarah Victoria Wagner | 29.9. 15 Uhr, 30.9. 10 Uhr, 1.10. 10.30 Uhr | Comedia-Theater | 0221 888 77 333
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Zeit des Werdens
„Mädchenschrift“ am Comedia – Theater am Rhein 05/24
Tanz zwischen den Neuronen
„Synapsen“ am Comedia Theater
Coming of Age-Manifest
„Mädchenschrift“ am Comedia Theater
Für die Verständigung
Stück für Gehörlose am CT – Theater am Rhein 03/24
Leidenschaften wie im Film
„Titanic“ am Comedia Theater
Die Sprache der Bewegung
Die Comedia lockt das junge Publikum zum Tanz – Tanz in NRW 10/23
Angst
Beobachtung eines Kritikers im Kindertheater — Bühne 02/23
Missstände offenlegen
„Stigma1“ im Comedia Theater – Prolog 11/22
Hauptrolle für Emotionen
Theater ImPuls realisiert pädagogisches Projekt – Spezial 07/22
Buntgelachte Blumen hören
„Blaubach Kurier“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 06/22
Jung, wild, queer
Bohei- und Bonanza-Festival am Comedia Theater – Bühne 06/22
Geometrie der Liebe
„Eltern outta space“ am Comedia Theater – Theater am Rhein 04/22
Verspätete Liebe
„Die Legende von Paul und Paula“ in Bonn – Theater am Rhein 05/24
Erschreckend heiter
„Hexe – Heldin – Herrenwitz“ am TiB – Theater am Rhein 05/24
Schöpfung ohne Schöpfer
Max Fischs Erzählung „Der Mensch erscheint im Holozän“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 05/24
Bitte keine Zuversicht
„Die letzten Männer des Westens“ am Schauspiel Köln – Auftritt 05/24
„Brisante politische Inhalte, lustvoll präsentiert“
Leiter Haiko Pfost über das Impulse Theaterfestival 2024 in Köln, Düsseldorf und Mülheim a. d. Ruhr – Premiere 05/24
Queere Revolution?
Das Sommerblut Kulturfestival 2024 in Köln – Prolog 05/24
Wege aus der Endzeitschleife
„Loop“ von Spiegelberg in der Orangerie – Theater am Rhein 04/24
Mut zur Neugier
„Temptation“ in den Ehrenfeldstudios – Theater am Rhein 04/24
Wahllos durch die Zeitebenen
„Schlachthof Fünf“ am Theater im Ballsaal – Auftritt 04/24
„Wir wissen nicht viel über das Universum“
Ronny Miersch inszeniert „Der Mensch erscheint im Holozän“ am TdK – Premiere 04/24
Das Theater der Zukunft
„Loop“ am Orangerie Theater – Prolog 04/24
„Ich mache keine Witze über die Ampel“
Kabarettist Jürgen Becker über sein Programm „Deine Disco – Geschichte in Scheiben“ – Interview 04/24