Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
3 4 5 6 7 8 9
10 11 12 13 14 15 16

12.588 Beiträge zu
3.815 Filmen im Forum

Lot Vekemans und Désirée Nosbusch beim Publikumsgespräch
Frank Brenner

Mit Trauer umgehen

06. Februar 2025

„Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Odeon – Foyer 02/25

Mittwoch, 5. Februar: Seit mehr als 40 Jahren steht die 1965 in Luxemburg geborene Schauspielerin und Entertainerin Désirée Nosbusch bereits vor der Kamera. Die Idee, einen ersten langen Spielfilm als Regisseurin zu verantworten, keimte in ihr zum ersten Mal vor 13 Jahren. Damals war sie mit dem von der Niederländerin Lot Vekemans geschriebenen Bühnenstück „Gif“ (Gift) zum ersten Mal in Berührung gekommen, wie Nosbusch beim Publikumsgespräch anlässlich ihrer Kinotour zu „Poison – Eine Liebesgeschichte“ im Kölner Odeon-Kino erzählte. In einer luxemburgischen Theaterproduktion sollte sie in dem Stück die dort namenlose „Sie“ spielen. „Ich war sofort geflasht gewesen von den Dialogen und dem Stoff an sich. Das Stück hat mich seitdem nicht mehr losgelassen“, so die Debütregisseurin weiter. „Diese großen Gefühle gehörten für mich auf die große Leinwand.“ Als Überraschungsgast war bei der Kölner Vorführung auch Lot Vekemans zu Gast, die für die Filmversion ihr Bühnenstück in ein Filmdrehbuch umgeschrieben hatte. Schmunzelnd erinnerte sie sich an die erste Kontaktaufnahme, in der Nosbusch per Email lediglich kurz und knapp gefragt hätte, ob die Filmrechte noch verfügbar seien. Vekemans wollte unbedingt verhindern, dass die Filmversion mit Flashbacks arbeitet und damit das enge und präzise Korsett um die beiden durch die Trauer um ihren bei einem Unfall gestorbenen Sohn gelähmten Eltern nicht abzuschwächen. „Zum Glück wollte das Désirée auch nicht“, erinnerte sich die Autorin. Dass für einen dermaßen dialoglastigen Film sehr gute Schauspieler besetzt werden mussten, war sämtlichen Beteiligten klar – und schließlich auch eine der Voraussetzungen, damit die Förderer dem Projekt überhaupt zustimmten.


Jürgen Lütz vom Odeon-Kino moderierte den Abend, Foto: Frank Brenner

Die Traumbesetzung finden

Die Finanziers bestanden auch darauf, dass „Poison“ kein gefilmtes Theater wird, dass sich die Geschichte für die große Leinwand öffnen müsse. Désirée Nosbusch resümierte dazu beim Publikumsgespräch: „Zwischendurch habe ich den Mut verloren, weil unsere Version zu kammerspielartig und zu schwer zu vermitteln war.“ Als sich nach langen Jahren des Ringens um die Realisierung im Dezember 2021 dann plötzlich ganz schnell abzeichnete, dass mit den Dreharbeiten begonnen werden konnte, wurde Nosbusch zugestanden, ihre Traumbesetzung anzufragen. Die einzige Forderung der Förderer bestand darin, dass es sich um A-List-Schauspieler handeln müsse. „Obwohl ich mich schwertue, Menschen in solche Kategorien einzuteilen, bin ich auf zwei große Namen zugegangen“, erklärte die Filmemacherin. Tim Roth hatte sie kurz zuvor durch seine Darstellung in Michel Francos „Chronic“ beeindruckt. „Den fand ich so grandios, dass ich hoffte, Tim hätte auch einen Platz in seinem Herzen für ‚Poison‘“, so Nosbusch. In Windeseile hatte der Hollywoodstar („The Hateful Eight“) das Drehbuch gelesen und sehr detailliert analysiert. Im Zoom-Gespräch mit Nosbusch hatte er dazu sehr präzise Fragen, und bereits eine Woche später kam seine Zusage. Die Wunschpartnerin der Regisseurin für Roth war der dänische Arthouse-Star Trine Dyrholm („In einer besseren Welt“), die dieser dann durch einige Filmsichtungen erst kennenlernte, aber schnell sein Okay zu dieser Besetzung gab. Auch für Lot Vekemans sind die beiden ein Traum-Cast: „Ich finde es toll, dass die Dialoge bei den beiden so präzise geblieben sind und trotzdem sehr natürlich und umgangssprachlich rüberkommen. Ihr gesamter Rhythmus ist sehr körperlich.“


Désirée Nosbusch spricht über ihr Regiedebüt, Foto: Frank Brenner

Sympathie für beide Figuren

Erst, nachdem sich Nosbusch bereits zwei oder drei Jahre mit „Poison“ beschäftigt hatte, sei ihr klargeworden, warum sie sich so sehr an diese Geschichte klammere. „Auch meine Eltern haben durch Fehlgeburten zwei Kinder verloren, eines vor und eines nach mir. Erst viele Jahre später, im Erwachsenenalter, erkannte ich die unausgesprochene Tragödie zwischen meinen Eltern. Dann habe ich verstanden, dass man nicht miteinander trauern kann, sondern dass die Trauer etwas sehr Individuelles ist“, fasste die Regisseurin ihre Beobachtungen zusammen. Für Nosbusch nimmt auch die Kameraarbeit von Judith Kaufmann eine Sonderstellung im Film ein, diese bezeichnete sie in Köln als dritten Protagonisten der Geschichte. Das Besondere an Kaufmanns Arbeit bestünde darin, dass sie immer sehr nah dran an den Figuren sei, ohne dabei voyeuristisch zu sein. „Man glaubt, die Gedanken der Figuren lesen zu können“, so Nosbusch weiter. Für die Autorin Vekemans war es darüber hinaus wichtig, dass kein Ungleichgewicht zwischen den beiden Figuren entsteht: „Man muss beide lieben können. Die Sympathie des Zuschauers muss die ganze Zeit zwischen den beiden hin und her wechseln. Am Ende bleibt es offen, weil es auch im Leben offenbleibt.“ Im Publikum wurde auch explizit die deutsche Synchronfassung des Films gelobt, was Regisseurin Désirée Nosbusch besonders freute. Sie kommentierte das mit den Worten: „Die synchronisierte Fassung ist für mich kein Stiefkind, sondern die deutsche Fassung. Es war mir sehr wichtig, dass dabei der typische Synchronton vermieden wird. Mit Viktor Neumann und Elisabeth Günther standen uns dabei zwei sehr gute Schauspieler zur Verfügung, die auch meiner Meinung nach hier ein exzellentes Ergebnis abgeliefert haben!“


Trotz schwieriger Thematik eine gut besuchte Veranstaltung, Foto: Frank Brenner
Frank Brenner

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Companion – Die perfekte Begleitung

Lesen Sie dazu auch:

Bittersüße Dystopie
„Ein schöner Ort“ in der Aula der KHM – Foyer 01/25

Zeit-Fragen
Symposium der dokumentarfilminitiative im Filmhaus – Foyer 01/25

Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24

Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24

Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24

Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24

Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24

Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24

Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24

Die schwierige Situation in Venezuela
„Das Land der verlorenen Kinder“ im Filmhaus – Foyer 06/24

Ungewöhnliches Liebesdrama
„Alle die du bist“ im Odeon – Foyer 05/24

Mehr als „Malen-nach-Zahlen-Feminismus“
„Ellbogen“ im Filmpalast – Foyer 04/24

Foyer.

HINWEIS