Ein Pferd galoppiert über eine Brache in Mülheim. Scheinwerfer beleuchten merkwürdige Bauten und ein Theaterzelt. René Pollesch ist Gast bei den Impulsen 2011. Sein Hauptdarsteller, der unglaubliche Fabian Hinrichs, ist auf der stoppeligen Wiese unterwegs durch die Menschheitsgeschichte. Sein Thema: Die 100 wichtigsten Erfindungen der Menschheit. Er zählt sie auf vom Faustkeil - ist schließlich schon einundeinhalb Millionen Jahre her - bis zum Nanometer im Jahr 2000. Dazwischen allerlei skurriles und wichtiges, Kondome fehlen natürlich auch nicht. Kaum zu glauben, Pollesch ist beim bedeutendsten biennalen Festival des freien Theaters im deutschsprachigen Raum nur das Rahmenprogramm.
Seit mehr als 20 Jahren zeigt das in NRW die wichtigsten Produktionen des freien Theaters in Deutschland, Österreich und der Schweiz. International renommierte Gruppen wie Rimini Protokoll erfuhren hier erstmals überregionale Aufmerksamkeit. Jetzt droht überraschend das Aus. Für die Impulse 2013 ist bislang nur eine Förderung von weniger als 600.000 Euro gesichert. Das sind 150.000 Euro unter dem notwendigen Mindestbudget und gut 300.000 Euro weniger als 2011 zur Verfügung standen. Dabei ist die Programmierung des Festivals bereits in vollem Gange. Dem ersten Open Call in der Geschichte der Impulse folgten bereits mehr als 300 Einsendungen aus der ganzen Welt. Dennoch wird unverständlicherweise ein halbes Jahr vor dem Festivalstart die Arbeit des neuen Leitungsteams Florian Malzacher und Stefanie Wenner in NRW grundsätzlich infrage gestellt.
Grund: Nach dreimaliger Beteiligung kann die Kulturstiftung des Bundes dem Gesamtfestival aus formalen Gründen keine weitere Förderung mehr gewähren. Die Projektanträge für die Realisierung von ortspezifischen Arbeiten des britischen Performance-Duos Lone Twin, der israelischen Künstlerin Yael Bartana, der indischen Künstlergruppe Raqs Media Collective und des kolumbianischen Mapa Teatros wurde von der Jury für offene Förderung nicht berücksichtigt. Dr. Christian Esch, Direktor des NRW KULTURsekretariats, fordert: „Das Festival muss auch unter der neuen künstlerischen Leitung und mit verändertem Konzept erfolgreich auf dem bisher erlangten Niveau weiterarbeiten können“. Die „Impulse Theater Biennale 2013“ hätte längst international Fahrt aufgenommen. Für ihn sei es absurd wenn einer der wichtigsten Motoren der freien Szene in voller Fahrt abgewürgt würde. Besonders bedrohlich sei die Lage auch, weil es aus der rotgrünen Landesregierung deutliche Signale gäbe, dass man die Notwendigkeit der „Impulse“ grundsätzlich überdenken wolle. Dabei hilft auch kein Kleingeld mehr. Das halbherzige Angebot, „unter Umständen 50.000 Euro zuzuschießen“, würde das Finanzierungsproblem des Festivals nicht lösen.
Impulse-Kurator Florian Malzacher: „Das Ende würde weit mehr bedeuten als nur das Ende eines Festivals. Die Weigerung des Landes, angemessen Verantwortung zu übernehmen, ist auch eine deutliche Ansage an das freie Theater im deutschsprachigen Raum“. Das stimmt natürlich.
Eine Lobby in der NRW-Landesregierung haben "Impulse" wohl nicht: NRW-Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) hat die Forderung nach aufgestockter Landesförderung schnell in scharfer Form zurückgewiesen: „Es sei von Anfang an klar gewesen, dass die Kulturstiftung des Bundes die "Impulse Theater Biennale" aus rechtlichen Gründen nur dreimal fördern dürfe, spätestens seit 2011 hat also der Direktor des Kultursekretariats in der Verantwortung gestanden, eine Lösung für die Deckung zu finden oder dem Festival einen anderen Rahmen zu geben". Nur rund fünf Wochen vor Jahresende einen Notruf zu starten und vom Land eine Deckung der fehlenden Bundesmittel zu fordern sei an Unverfrorenheit kaum zu überbieten, so Schäfer weiter. Das Land fördere das Festival 2013 bereits mit rund 300 000 Euro.
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