Jedes neue Werk von Altmeister Jacques Tardi ist ein Genuss. Egal, ob er sich dem Krieg zwischen Ländern oder dem Krieg in der Unterwelt widmet, die Psychologie der Figuren und der soziale Hintergrund sind immer genau gezeichnet. Bei einer Krimi-Adaption wie „Im Visier“ von Jean-Patrick Manchette kommen noch eine spannende Dramaturgie, der lakonische Tonfall und starke Plotpoints hinzu. Ein Comic Noir allererster Güte (Edition Moderne). Noch eine Mordsstory: „Der Mörder weinte“ von Thierry Murat ist eine Adaption des Romans von Anne-Laure Bondoux. Ein Fremder tötet die Eltern eines Jungen und zieht in dessen Haus ein. Mit einem eigenwilligen, grobkörnigen Stil fängt Murat die Weite Patagoniens und die Trostlosigkeit des kargen Alltags ein, mit nur wenigen Worten umreißt er das existentielle Drama der Figuren – erschütternd (Schreiber & Leser). Nach ihrem Meisterwerk „Der Incal“ haben Alejandro Jodorowsky und Moebius in den 1990er Jahren an der dreibändigen Geschichte „Lust & Glaube“ gearbeitet. Die grafische Weite des Incal wird hier wieder enger, die Story um einen Philosophie-Professor von der Sorbonne, der an drei religiöse Fanatiker gerät, öffnet sich zunehmend dem Wahnsinn. Es scheint fast, als würde hier Moebius' eigene Erfahrung in einer UFO-Sekte kathartisch durchlaufen – hysterisch und unter Einsatz von Körperflüssigkeiten aller Art. Der Verlag Schreiber & Leser veröffentlicht erstmals die drei Alben der Geschichte als Sammelband.
„Gonzo“ ist „die grafische Biografie von Hunter S. Thompson“, so der Untertitel. Will Bingley und Anthony Hope-Smith stolpern durch das wilde Leben des legendären Radikalisierers des New Journalism. Typisches Handicap einer knappen Comicbiografie: Wenn man die Hintergründe kennt, macht das Spaß, alle anderen werden es mit dem Verständnis etwas schwer haben (Tolkemitt). Die subjektive Reportage eines Hunter S. Thompson macht sich der Italiener Igort für seine Comicreportage „Berichte aus der Ukraine“ zunutze. Es sind „Erinnerungen an die Zeit der UDSSR“, die ihm seine Gesprächspartner bei seinen Reisen erzählen und die er atmosphärisch mit zartem Strich und gedeckten Farben verdichtet. Eingebettet sind die vier Geschichten seiner Interviewpartner in historische Abrisse, Hintergrundinformationen und Igorts eigene Reiseerlebnisse (Reprodukt).
Österreicher unter sich: Nicolas Mahler adaptiert Thomas Bernhard! „Alte Meister“ ist ein beckettsches Szenario. Atzbacher wird von Reger ins Museum eingeladen, nur um dessen Hasstiraden gegen die Kunst zu erdulden. Aber so platt und eindimensional sind Regers Ausführungen dann doch nicht. Mahler bringt Bernhards Text lakonisch auf den Punkt und findet oft überraschende und intelligente Bilder für Regers Monolog (Suhrkamp). Den Beginn von Spirou, dem franco-belgischen Helden im Pagenkostüm, kann man in „Spirou auf Weltreise“ erforschen. 1938 startete das Magazin „Spirou“ mit seinem von Rob-Vel erdachten Helden. Der Sammelband umfasst das erste Jahr, von der selbstreflexiven Erschaffung des Pagen durch einen gewitzten Maler bis zu den ersten Abenteuern in der weiten Welt. Carlsen veröffentlicht die Seiten chronologisch und im Originallayout. Mehr Kunstbuch denn Comic ist „Mondwandler“ von Michaela Konrad. Ein Pop Art-Beauty auf dem Mond sinniert in Zitaten amerikanischer Raumfahrtpioniere über das überirdische Erlebnis im All. Was sehr konstruiert klingt, funktioniert mit seinen großformatigen Zeichnungen emotional auf ergreifende Art: Man schwebt beim Lesen förmlich durch den Raum (Luftschacht).
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