Was wird aus dem Tanz in Köln? Ab 2008 sollten jährlich 450.000 Euro im Haushalt bereitgestellt werden, man plante ein Tanzhaus, das sich dann als Wolkenkuckucksheim entpuppte. Im letzten Monat noch fragte die FDP in ihrem Kulturforum nach der Million für den Tanz. Wo ist sie geblieben? Für den Verzicht auf ein eigenes Ensemble – nach dessen Chef-Choreographen Hans-Georg Bögner von der SPD und Kulturdezernent Georg Quander schon auf die Suche geschickt worden waren – installierten Oper und Schauspiel eine Gastspielreihe. Eine Entschädigung von einer Million, die dem Kölner Publikum Produktionen von Sidi Larbi Cherkaoui, dem Aterbaletto oder Lloyd Newson von Weltstandard bot.
Da es in den letzten Jahren in Oper und Schauspiel zu Mehrausgaben kam, die stückweise abgetragen werden müssen, strich man auch dem Tanz, der diese Entwicklung nicht zu verantworten hat, zunächst 300.000 Euro. Nun soll ganze Arbeit geleistet werden, indem der Gastspieletat auf null gefahren wird. Damit nicht genug, geht es als nächstes an die Existenz der ansässigen Tanzszene. Barnes Crossing, das Choreographen-Netzwerk im Kölner Süden, erhält keine Förderung mehr für seinen Mietvertrag in der Wachsfabrik. Zum 31. Juli dieses Jahres droht damit die Schließung an der Industriestraße. Köln verlöre nicht alleine seinen einzigen originären Tanzort, sondern auch die wichtigste Produktionsstätte und eine Halle, in der jährlich 46 Aufführungen über den Tanzboden gingen.
Damit nicht genug, wird im Haushaltsentwurf der Verwaltung der Zuschuss für die Bühne der Kulturen in Ehrenfeld von 125.000 Euro gestrichen. Noch einmal 42 Aufführungen wären auf diese Weise aus dem Jahresplan getilgt. Insgesamt würden 45 Prozent des Gesamtvolumens eines Jahres wegfallen. Eine solche Dimension ist nicht zu kompensieren. Köln würde unter das Niveau mancher deutscher Kleinstadt fallen. Dass knapp 50 Prozent aller Tänzer in NRW ihre private Heimat in der Domstadt haben, hilft da auch niemandem mehr. Zumal Freie Gruppen keine Förderung von Stadt oder Land mehr erhalten, wenn sie keine Spielstätte für ihre Produktionen vorweisen können. Der Absturz aus dem internationalen Netzwerk ist dann besiegelte Sache, da man ja nicht mehr im Wechsel mit internationalen Ensembles agieren könnte, wenn sich Choreographen aus anderen Ländern keine Möglichkeit eröffnet, in Köln zu gastieren.
Nach der Streichung der Tanzsparte an den Bühnen der Stadt Köln droht jetzt also die Zerschlagung der Freien Szene. Während das Bürgerhaus Stollwerck derzeit mit einer Unterschriftensammlung seine angedachte Schließung abzuwenden versucht, vermag die Alte Feuerwache ihre Kapazität nicht entscheidend für die Freie Szene zu erweitern. Auch die Orangerie befindet sich schon an der Grenze ihrer Kapazität, zumal diese Bühne im Volksgarten nur für kleine Produktionen akzeptabel ist.
Karin Baier hat gezeigt, wie man neue Spielorte entdeckt. Für den Tanz fand sich in den letzten zwanzig Jahren in der Millionenstadt Köln keine neue Spielstätte. Das mag auch daran gelegen haben, dass es kein Bekenntnis zu dieser Kunstsparte gab, mit dem sich Geld hätte in die Hand nehmen lassen. Tanzbühnen brauchen Höhe und Tiefe, und sie dürfen nicht durch Säulen, wie man sie häufig in alten Industrieanlagen findet, verstellt werden. Umrüstungen für den Publikumsbetrieb verursachen Kosten. So zieht sich die Schlinge unaufhaltsam zu. Ende des Monats tagt der Rat der Stadt, dann gilt es für alle Fraktionen, Farbe zu bekennen, indem man sich der Frage stellt, wie lebenswert eine Stadt noch ist, wenn man ihr den kulturellen Lebensnerv gekappt hat.
Lesen Sie hier das Interview mit Achim Conrad und Klaus Dilger, den beiden Geschäftsführern des tanZbüro koeln.
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