Mit unglaublichem Ehrgeiz hat die 1988 in Scottsdale, Arizona, geborene Emma Stone ihre Karriere vorangetrieben. Nach ersten Rollen in den Kinofilmen „Superbad“ und „House Bunny“ wurde sie für ihre Rollen in der Komödie „Einfach zu haben“ und in dem Rassismus-Drama „The Help“ mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Golden Globe und dem MTV Movie Award. In der Rolle von Peter Parkers Freundin Gwen Stacy ist sie nun Teil des Reboots der Comicverfilmung um „The Amazing Spider-Man“, der jetzt in den Kinos anläuft.
choices: Miss Stone, was hat Sie an der Figur der Gwen Stacy gereizt?
Emma Stone: Mir gefiel sehr gut, dass sie mit Peter Parker auf Augenhöhe ist. Das war für mich ein wirklich wichtiges Element. Sie geht sehr forsch auf ihn zu und wird dann natürlich seine erste Vertraute, wenn er sich als Spider-Man zu erkennen gibt. Ihr Vater versucht ja, ihn im wahrsten Sinne des Wortes umzubringen – was sicherlich viele Teenagermädchen auf die eine oder andere Weise erfahren, wenn auch nicht in diesem Ausmaß (lacht). Hinzu kommt die Tatsache, dass sie sich für alle und jeden verantwortlich fühlt, sie scheint sich jedem verpflichtet zu fühlen, einschließlich ihrer Eltern. Bei Peter macht sich das bemerkbar, indem sie ihn ständig zur Krankenschwester schickt. Es gibt also eine ganze Menge Facetten an der Figur, die mir sehr gut gefallen haben.
Was haben Ihnen die Spider-Man-Geschichten bedeutet, bevor Sie in den Film involviert wurden? Spielten sie auch zuvor schon eine Rolle in Ihrem Leben?
Filme waren meine Comichefte, ich habe in meiner Kindheit und Jugend fast ununterbrochen Filme angeschaut. Das war eine richtige Obsession von mir. Ich habe die Spider-Man-Trilogie damals im Kino gesehen, als sie neu rauskam, alle drei Filme. Soviel zu meinen Erfahrungen mit dieser Comicfigur. Ich liebe Superheldenfilme ganz allgemein. Aber Comics habe ich keine gelesen, als ich aufgewachsen bin. Ich hatte mit dem Marvel-Universum nicht so viel am Hut, bis ich zu Gwen geworden bin. Ich meine, bis ich Gwen spielte. Ich hoffe nicht, dass ich zu Gwen geworden bin, denn sie steckt wirklich in Schwierigkeiten.
Haben Sie sich zuerst in Peter Parker oder zuerst in Andrew Garfield verliebt?
Ich beantworte keine persönlichen Fragen, deswegen müssen Sie hier Ihre eigenen Schlüsse ziehen.
Gwen ist ein mutiges Mädchen gemessen am Highschool-Standard. Einen Schlägertyp hält sie davon ab, andere zu quälen. Waren Sie auch so mutig, als Sie an der Highschool waren?
Ich wurde zu Hause unterrichtet. Wenn ich mir also ein paar verpasst habe, dann habe ich mich auch selbst wieder davon abgehalten – so wie in „Fight Club“ (lacht). Meine Highschool-Erfahrungen waren komplett anders. Die meisten meiner Freunde waren viel älter als ich, weil ich sie an der örtlichen Jugendtheatergruppe kennengelernt hatte, bei der ich mitspielte. Ich hatte selten Erfahrungen mit Gleichaltrigen, das hat sich bis heute nicht geändert. Die meisten meiner Freunde sind ein bisschen älter als ich.
Warum haben Sie sich für Hausunterricht anstatt Highschool entschieden?
Ich hasste die Schule, ich war dort nie besonders glücklich. Und es war mir dort immer sehr langweilig. Ich wusste schon mit elf, dass ich Schauspielerin werden will, wieso sollte ich dann Algebra lernen? Ich würde das nie wieder in meinem Leben brauchen. Natürlich ist mir bewusst geworden, dass einem die Schule beibringen soll, wie man lernt. Auch über Unterrichtsfächer, die man als Erwachsener nie wieder gebrauchen würde, lernt man etwas darüber, wie man denkt und lernt und wie man Informationen verarbeitet. Aber bei meinem Hausunterricht hatte ich mit zwölf Jahren dann die Gelegenheit, mich mit Themen zu beschäftigen, die mich wirklich interessierten, wie Psychologie und Philosophie und Theologie. Ich habe in meinen „Highschool-Jahren“ schon Drehbuchschreibkurse belegt, und üblicherweise muss man bis zur Universität warten, bis man solche Kurse wählen kann. Das war eine unglaublich bewusstseinserweiternde Erfahrung für mich. Natürlich war das nur möglich, weil meine Eltern dazu zeitlich und finanziell in der Lage waren. Das ist kein Weg, den ich jedem Einzelnen empfehlen würde, schließlich gibt es in den USA auch ganz hervorragende öffentliche Schulen.
Sie haben Ihren Eltern angeblich eine Powerpoint-Präsentation vorgeführt, um sie davon zu überzeugen, dass Sie nach Hollywood ziehen sollen, um Ihnen eine Filmkarriere zu ermöglichen …
Ich habe das damals gemacht, weil ich schon immer ein Händchen für Computer hatte und weil das viel schneller ging, als eine Pinnwand zu kaufen und Sachen auszuschneiden (lacht).
Wussten Sie schon immer, dass Sie Schauspielerin werden wollen?
Ich bin nach Los Angeles gezogen, als ich fünfzehn Jahre alt war, also noch ziemlich jung. Ich hatte das große Glück, dass meine Eltern großes Verständnis für meine Entscheidungen hatten, auch als diese schon recht früh in meinem Leben feststanden. Ich glaube schon, dass es etwas seltsam ist, wenn die vierzehnjährige Tochter einen mit einer Powerpoint-Präsentation von ihrem Traum von Hollywood überzeugen möchte. Aber einige Monate später bin ich dann eben tatsächlich mit meinen Eltern dorthin gezogen.
Sie wollten also unbedingt Schauspielerin werden?
Ich habe mit dem Theaterspielen in Phoenix, Arizona, begonnen, als ich ungefähr elf war. Ich hatte mich auf Sketchcomedy und Improvisationen spezialisiert und träumte davon, einmal bei „Saturday Night Live“ dabei zu sein. Dann habe ich mir Woody-Allen- und Hal-Ashby-Filme angesehen, und Diane Keaton wurde in vielerlei Hinsicht zu meinem Idol. Irgendwann habe ich dann einfach die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und auf mein Bauchgefühl gehört. Auf diese Weise treffe ich die meisten wichtigen Entscheidungen in meinem Leben. Ich folge einfach meinem Bauchgefühl. Und an jenem Tag habe ich deswegen die Powerpoint-Präsentation erstellt.
Haben Sie Diane Keaton jemals persönlich getroffen?
Nein, ich habe sie aus der Ferne in anderen Zimmern sitzen sehen, mich aber nicht getraut, auf sie zuzugehen. Ich fange vor Leuten, die ich wirklich bewundere, immer zu heulen an. Ich wollte wirklich nicht vor Diane Keaton das Heulen anfangen, weil sie mich dann bestimmt für verrückt gehalten hätte.
Würden Sie sich wünschen, einmal in einem Woody-Allen-Film mitzuspielen?
Pfff … (wildes Augenrollen) Ja, unbedingt! Unheimlich gerne! Jesse Eisenberg hat gerade in einem Woody-Allen-Film mitgespielt („To Rome With Love“; die Red.), ich kenne Jesse, seit wir zusammen „Zombieland“ gedreht haben, und Andrew Garfield hat mit ihm „The Social Network“ gedreht. Das ist irgendwie wie eine himmlische Fügung, Jesse und Woody Allen!
Warum?
Weil sie wie ein und dieselbe Person sind. Beide sind unglaublich intelligent und die ultimative Verkörperung New Yorks. Er spielt eine Art jüngeres Alter Ego von Woody in dem Film. Auch Owen Wilson war ja ein unglaubliches Alter Ego Woody Allens (in „Midnight in Paris“; die Red.), was für mich wesentlich überraschender war, weil ich nicht vermutet hatte, dass er so gut in diese Rolle passt.
Von Woody Allen zu Spider-Man ist es ein großer Schritt – warum wollten Sie Teil des Spider-Man-Franchises werden und wie kam das zustande?
Der Schritt ist gar nicht so groß, wie Sie vielleicht denken würden. Woody Allen ist von der Sterblichkeit besessen, und Gwen Stacys Geschichte fußt ebenfalls komplett auf dem Tod. Ich selbst denke auch sehr oft darüber nach. Nicht auf eine morbide Art und Weise, aber ich bin mir der Sterblichkeit bewusst. Die beiden Themen liegen also gar nicht so weit auseinander. Die Spider-Man-Saga ist, da bin ich mir sicher, sehr Woody-Allen-freundlich.
Sie beziehen sich hier vermutlich auf eine sehr bekannte Geschichte aus den klassischen „Spider-Man“-Comics der 70er Jahre, die damals für viel Aufsehen sorgte, weil Gwen Stacy darin starb. Können Sie schon etwas darüber sagen, wie mit ihrem Charakter in künftigen Filmen verfahren wird – wird Gwen wie in den Comics sterben?
Im Moment arbeiten die Drehbuchautoren an der Fortsetzung. Und ich will doch sehr hoffen, dass sie den Comics treu bleiben, da das einer der Hauptgründe war, warum ich für die Rolle unterschrieben habe!
Ist es nicht auch beängstigend, für eine Rolle in einem so großen Franchisefilm zu unterschreiben, weil man dann in der öffentlichen Wahrnehmung mit dieser Rolle verknüpft wird?
Ich hoffe, dass das nicht der Fall sein wird. Tobey Maguire und Kirsten Dunst (die Darsteller aus der ersten „Spider-Man“-Trilogie; die Red.) sind für mich einfach großartige Schauspieler. Ich sehe in ihnen nicht Spider-Man und Mary Jane Watson. Kirsten war unglaublich in „Melancholia“ und Tobey wird demnächst in „The Great Gatsby“ zu sehen sein. Für mich ist Michael Keaton auch Michael Keaton, und nicht Batman. Ich sehe in ihm auch Beetlejuice. Deswegen mache ich mir keine zu großen Sorgen, dass das passieren wird. Da hätte ich bei einer Fernsehrolle schon größere Bedenken, wenn man zehn Jahre lang dieselbe Rolle verkörpert … Ich hatte keine Sorgen, dass ich mit Gwen Stacy identifiziert werden könnte, weil das eine Figur ist, die ich liebe und die ich gerne spielen wollte. Da haben die Vorteile die Nachteile eindeutig überwogen.
Fühlen Sie sich als Frau im Filmgeschäft gleichberechtigt behandelt?
Ja, die meiste Zeit schon. Ich hatte auch das Glück, als Komikerin Rollen zu spielen, die auf angenehme Weise aus dem Raster fallen. Und ich durfte in sehr gut geschriebenen Rollen spielen, was für eine Schauspielerin im komischen Fach äußerst selten ist. Andererseits gibt es natürlich auch Ungleichheiten. Beispielsweise wurde „The Help“ dafür gefeiert, ein Film für Frauen zu sein, und allein das weist ja schon auf eine Ungleichheit hin. Wieso sollte man das denn extra erwähnen?
Was werden wir demnächst noch von Ihnen sehen können?
Eine im Los Angeles-Polizeirevier des Jahres 1949 angesiedelte Geschichte, die „Gangster Squad“ heißt, die im Herbst anlaufen wird und vom Regisseur von „Zombieland“ inszeniert wurde, Ruben Fleischer. Der Film hat eine sehr coole und interessante Besetzung und basiert auf einer wahren Geschichte.
Und mit Produzieren haben Sie jüngst auch angefangen …
Ja, das ist ein weiterer Traum von mir, der in Erfüllung gegangen ist und den ich hoffentlich noch lange werde ausleben können. Wir haben gerade damit begonnen, die Produktion des Films vorzubereiten, müssen aber noch einen Regisseur finden. Ich liebe Filme so abgöttisch, das übersteigt manchmal sogar meine Liebe zur Schauspielerei. Alles organisiert zu bekommen, die unterschiedlichen Teile zusammenzustellen, damit am Ende die Filmmaschinerie ans Laufen kommt, ist etwas, das mich absolut fasziniert und das ich in Zukunft gerne häufiger tun würde.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Die Figuren funktionieren wie Geister“
Franz Rogowski über „Transit“, Berlinale-Trubel und Christian Petzold – Roter Teppich 04/18
„Sie bezieht immer Position für ihren Sohn“
Martina Gedeck über „Zwei Herren im Anzug“ und ihre bayerischen Wurzeln – Roter Teppich 03/18
„Sie muss immer weitermachen“
Lisa Vicari über „Luna“ und den Erfolg von „Dark“ – Roter Teppich 02/18
„Am Set war immer Hochspannung angesagt“
Pierre Deladonchamps über „Die kanadische Reise“, Philippe Lioret und Schicksal – Roter Teppich 12/17
Große Namen in der Domstadt
Werkstattgespräche im Filmforum – Foyer 10/17
„Er hat das Erlebnis Krieg niemals überwunden“
Jürgen Prochnow über „Leanders letzte Reise“, Altersrollen und den Dreh in der Ukraine – Roter Teppich 09/17
„Der Film erzählt eine zeitlose Geschichte“
David Oyelowo über „A United Kingdom“, Rassismus und Daniel Brühl – Roter Teppich 04/17
„Es ist wichtig, darüber zu sprechen“
Jessica Schwarz über „Die Hände meiner Mutter“, Besetzungsprobleme und Auszeichnungen – Roter Teppich 12/16
„Das Träumerische hat mich sehr gereizt“
Louis Hofmann über „Die Mitte der Welt“, seine schwule Figur und Online-Lehrer – Roter Teppich 11/16
„Coming Outs sind in der Pubertät am schwierigsten“
Jannis Niewöhner über „Jonathan“, Sexszenen und Landleben – Roter Teppich 10/16
„Wir waren einfach dazu bestimmt, diesen Film zu drehen“
Greta Gerwig über „Maggies Plan“, Familien und Woody Allen – Roter Teppich 08/16
„Ich spiele gerne Rollen, die ich selbst erforschen muss“
Sandra Hüller über „Toni Erdmann“, Juryentscheidungen und Improvisationen – Roter Teppich 07/16
„Ich mag realistische Komödien lieber“
Josef Hader über „Andrea lässt sich scheiden“ – Roter Teppich 04/24
„Kafka empfand für Dora eine große Bewunderung“
Henriette Confurius über „Die Herrlichkeit des Lebens“ – Roter Teppich 03/24
„Man kann Stellas Wandel gut nachvollziehen“
Jannis Niewöhner über „Stella. Ein Leben.“ – Roter Teppich 02/24
„Zufriedenheit ist eine innere Einstellungssache“
Stefan Gorski über „Ein ganzes Leben“ – Roter Teppich 11/23
„Diese Geschichte ist eine Warnung an das Heute“
Mala Emde über „Die Mittagsfrau“ – Roter Teppich 10/23
„Ich fühle mich oft als Außenseiter“
Exklusiv: Teo Yoo über „Past Lives – In einem anderen Leben“ – Roter Teppich 08/23
„Das Leben ist im Doppel einfacher zu meistern“
Burghart Klaußner über „Die Unschärferelation der Liebe“ – Roter Teppich 07/23
„Petzold hat einen Reichtum an Anekdoten“
Enno Trebs über „Roter Himmel“ – Roter Teppich 04/23
„Emotionen kochen hoch und Leute entblößen sich“
Lavinia Wilson über „Der Pfau“ – Roter Teppich 03/23
„Einen Körpertausch würde ich nicht gerne machen“
Jonas Dassler über „Aus meiner Haut“ – Roter Teppich 02/23
„Ich brauche die Institution der Ehe nicht“
Iris Berben über „Der Nachname“ – Roter Teppich 10/22
„Heimat sind für mich meine Familien“
Charly Hübner über „Mittagsstunde“ – Roter Teppich 09/22
„Das ist ein Film für die ganze Familie“
Dimitrij Schaad über „Die Känguru-Verschwörung“ – Roter Teppich 08/22