Der Film wurde gerade 100, da schossen Mitte der 90er in Deutschland die Multiplexe aus dem Boden: Große Leinwände, großer Ton, großes Kino – Funktionalität statt Idylle. Das Cinedom wurde 1991 gebaut und steht seit 1992 unter der Regie von Martin Ebert, der während seines Maschinenbau-Studiums zum Kino gekommen ist und vor Köln bereits in Bochumer Kinos aktiv war. Grundlegend dem Mainstream verschrieben, bezeichnet Ebert das Cinedom noch immer als das „Arthouse-lastigste Multiplex“ Deutschlands. Auch wenn das Multiplexkino amerikanischen Modellen folgt, beruht das Cinedom im Besonderen auf einem Anliegen von Produzent Bernd Eichinger. Der hat, erklärt Ebert, Mitte der 80er gesagt, wenn er so viel Herzblut in Filme investiere, dann sollten seine Filme auch angemessen abgespielt werden.
Welche Philosophie verfolgte Eichinger mit dem Cinedom genau?
Also Grundlage Nummer eins war immer: Die vierte Wand ist die Leinwand. Zweites Essential war: Alle Säle sind schwarz. Kein Fancy-Equipment, weil sich das, was es zu sehen gibt, auf der Leinwand abspielt.
Also die Priorität aufs Funktionale, nicht auf den roten Vorhang…
Nein, kein Geschnörkel. Schöngeister mögen sich vielleicht an dem einheitlichen Schwarz etwas stören, aber ich behaupte einfach mal, die Historie hat Eichinger da Recht gegeben. Dritte Sache war natürlich, dass er gesagt hat, hier muss das Optimum an Ton rein. Das heißt, man hat außer sehr viel Geld für die Atrium-Bauweise der Kinos auch viel Geld in die akustische Entkopplung der Säle und in die reine Tontechnik gestellt.
Mittlerweile liegt der Anteil von Multiplexen am Gesamtkinoeinsatz bei über 50%. Geht es da mehr um Herzblut oder mehr um Profit?
Im Fall der Amerikaner war das sicherlich eine reine Investitionsüberlegung. Hier hingegen stand im Vordergrund, ein Kino zu schaffen, wo man die Filme wirklich so sehen kann, wie der Produzent sich das gedacht hat. Dass da sicherlich auch eine Investitionsentscheidung dranhängt ist eher der zweite Schritt.
Trotz des Erfolgs spürt sicherlich auch das Cinedom einen generellen Zuschauerschwund, speziell der jugendlichen Besucher…
Nun, das Kino ist ja nicht tot. Es bricht auch nichts komplett weg. Aber wir bewegen uns natürlich in einem ganz anderen Wettbewerbsumfeld als man das vor 20 Jahren getan hat, ich denke da an PC-Spiele und Handyrechnungen. Aber ich glaube, es liegt auch daran, dass auf der Produzenten- und Drehbuchseite zu wenig Empfinden für die Kids da ist. Einen 16-Jährigen von heute kann man nicht mit einem 16-Jährigen der 80er Jahre vergleichen. Und die Jugendidole von heute sind nicht mehr zweimal im Jahr auf der Kinoleinwand zu sehen, sondern jede Woche in einer Daily Soap. Ich glaube einfach, dass die Überflutung zu stark ist. Wir haben alle zwei Jahre eine neue Boygroup, die sich aber spätestens nach drei Jahren wieder auflöst...
Was heißt das fürs Kino?
Dass das Kino sich viel öfter neu erfinden muss. Und dass es auch viel Crossover geben muss von den eigentlichen Genres. Nehmen wir als Beispiel „Matrix“, wo Science-Fiction und Action mit philosophischen Ansätzen vermischt wurden. Da kommen sicherlich noch interessante Mischungen auf uns zu.
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