Alle Anderen
Deutschland 2008, Laufzeit: 124 Min., FSK 12
Regie: Maren Ade
Darsteller: Birgit Minichmayr, Lars Eidinger, Nicole Marischka, Hans-Jochen Wagner
Gitti und Chris machen gemeinsam Urlaub auf Sardinien. Als sie zufällig auf ein befreundetes Paar stoßen, ist nicht nur die Zweisamkeit gestört, die Identität des Paares steht plötzlich auf dem Spiel.
Sie lungern auf der Wiese rum, fläzen sich auf dem Bett und scheinen sich selbst zu genügen. Gitti und Chris genießen den Urlaub im sardischen Ferienhaus von Chris' Eltern. Gemeinsam machen sie sich über die spießige Einrichtung lustig und leben abgeschottet in den Tag hinein. Chris scheint allerdings weniger gelöst zu sein als Gitti. Der Architekt wartet auf das Ergebnis eines Wettbewerbs, den er für seine stockende Karriere dringend gewinnen muss. Als er eine Absage erhält, verschweigt er Gitti die Nachricht. Erste Spannungen machen sich zwischen den beiden bemerkbar. Dann treffen sie zufällig beim Einkauf Hans, einen alten Studienkollegen von Chris. Gemeinsam mit seiner schwangeren Frau verbringen sie einen Abend, der zum Eklat wird. Chris' berufliche Unsicherheit prallt auf Hans' Prahlerei, und Gittis Versuch, Chris zu verteidigen, gerät zum Fiasko. In den nächsten Tagen entfaltet sich zwischen dem scheinbar glücklichen Paar ein zunächst subtiler Machtkampf, der immer offensiver wird und Unsicherheiten, Zukunftsängste und Entscheidungsnöte evoziert.
„Alle Anderen“, der bei der Berlinale zwei Silberne Bären gewann und auf dem Internationalen Frauenfilmfestival den Internationalen Wettbewerb, ist erst der zweite Film von Maren Ade. Aber bereits mit ihrem Debüt, „Der Wald vor lauter Bäumen“, konnte sie die Kritiker begeistern. Die Geschichte um eine junge Lehrerin, deren Leben auf der Suche nach sozialem Anschluss entgleist, überraschte mit einem unbarmherzigen Blick auf die übergriffigen und peinlichen Handlungen der Protagonistin, ohne dass der Film seine Hauptfigur der Lächerlichkeit preisgegeben hätte. Ades neuer Film ist viel unspektakulärer. In einzelnen Momenten zeigt er noch die Kraft, peinlichen Momenten standzuhalten. Aber darum geht es nicht. Es geht um eine Genauigkeit der Beobachtung zwischenmenschlicher Feinheiten, die man nur in wenigen Filmen derart gelungen vorgeführt bekommt. Kleinste Verschiebungen der Dominanz zwischen Chris und Gitti sind an beiläufigen Gesten oder der Körperhaltung abzulesen, das Schweigen ist vielsagend, die Worte mehrdeutig. Maren Ade führt uns die Orientierungslosigkeit zweier Thirtysomethings mikroskopisch vor. Nicht nur pragmatische Entscheidungen wie Zusammenbleiben oder Trennen, Kinderkriegen oder nicht und das Ringen um Selbstverwirklichung und das berufliche Glück werden vor den Augen der Zuschauer minutiös, wenn auch nicht immer verbal, verhandelt. Die gesamte Identität der Figuren – für sich und im Verhältnis zum Partner – steht ständig zur Debatte. Regisseurin, Drehbuchautorin und Produzentin Maren Ade und ihre begnadeten Darsteller Birgit Minichmayr und Lars Eidinger bringen all das scheinbar spielerisch und nicht ohne Humor zur Anschauung.
(Christian Meyer)
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Toleranz zum Jahresende
Mit Kino zu mehr Empathie finden – Vorspann 12/24
Zermürbte Gesellschaft
choices preview zu „Critical Zone“ im Odeon – Foyer 11/24
„Mir wurden die Risiken des Hebammenberufs bewusst“
Katja Baumgarten über ihren Film „Gretas Geburt“ – Foyer 11/24
Die ganze Palette Kino
9. European Arthouse Cinema Day – Festival 11/24
Nach Leerstellen suchen
„Riefenstahl“ im Weisshauskino – Foyer 11/24
Kunst des Nicht-Wegschneidens
„Anna Zeit Land“ im Filmforum – Foyer 10/24
Liebe und Macht
choices preview zu „Power of Love“ in der Filmpalette – Foyer 10/24
Schnitte in Raum und Zeit
Die 24. Ausgabe des Festivals Edimotion in Köln ehrt Gabriele Voss – Festival 10/24
Restitution von Kolonialraubkunst
„Dahomey“ und „The Story of Ne Kuko“ im Filmforum – Foyer 10/24
„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24
Die hemmungslose Leinwand
Sexualität im Kino – Vorspann 10/24
„Zuhause sehnen wir uns nach der Ferne...“
Kuratorin Joanna Peprah übers Afrika Film Fest Köln – Festival 09/24
Afrikanisches Vermächtnis
Das 21. Afrika Film Festival widmet sich dem Filmschaffen des Kontinents – Festival 09/24
Kurzfilmprogramm in der Nachbarschaft
„Kurzfilm im Veedel“ zeigt Filme zu aktuellen Themen in Köln – Festival 09/24
Sorge um die Filmkultur
Veränderungen und Einsparungen stehen vor der Tür – Vorspann 09/24
Disziplin, Drill und Durchlässigkeit
„Mädchen in Uniform“ im Filmforum – Foyer 08/24
Volles Programm(heft)
40-jähriges Jubiläum der Internationalen Stummfilmtage Bonn – Festival 08/24
Sommer-Endspurt
Humor und Weltrettung für Jung und Alt – Vorspann 08/24
Der Sieg des Glaubens
„Führer und Verführer“ im Odeon mit Regisseur Joachim Lang – Foyer 07/24
Queere Menschen in Polen
„Boylesque“ im Filmhaus – Foyer 07/24
Pssst!
Zu Spoilern, Prequels und Remakes – Vorspann 07/24
„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24