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Spring Breakers

Spring Breakers
USA 2012, Laufzeit: 92 Min., FSK 16
Regie: Harmony Korine
Darsteller: James Franco, Vanessa Hudgens, Selena Gomez, Ashley Benson, Rachel Korine, Heather Morris
>> www.springbreakers-film.de

Empathische Satire

Als wär’s ein Videoclip
„Spring Breakers“
von Harmony Korine

Brit, Candy, Cotty und Faith verbringen ihren Alltag in einem College, das ebenso langweilig ist wie die angrenzende Stadt. Während Faith noch ein wenig Halt in einer religiösen Gruppe findet, fantasieren sich die anderen drei in ein Leben voller Drogen und Sex. Das Ziel ihrer Sehnsucht finden die Mädchen im Spring Break, jenen ausschweifenden Semesterferien-Partys, die jährlich gut eine Millionen amerikanische Studenten zum grenzüberschreitenden Feiern verlocken. Wie genau man sich eine solche Party vorzustellen hat, zeigt Regisseur Harmony Korine als Intro seines Films anschaulich: Zum Sound des Dubstep-Produzenten Skrillex editiert Korine einen dokumentarischen Best-of-Clip der hedonistischen Entgleisungen an den Stränden Floridas. Mit diesem Intro setzt die Underground-Ikone zwei Akzente, die bezeichnend sind für seinen ersten Mainstream-Film: So wie Skrillex’ Track zugleich die Feier des Plastik-Pops und dessen Demontage ist, funktionieren die Bilder der Strandparty in ihrer affirmativen Überzeichnung gleichermaßen als Feier des Hedonismus wie als Satire darauf. Denn bei aller Partystimmung, die Korine in seinem Film immer wieder generiert: Feine Widerhaken sind von Anfang an inklusive. Dieser Widerspruch wird sich auch am Ende des Films nicht auflösen, wenn Partykultur und Gangsterstyle als Widerhall medialer Klischees ineinander aufgehen und eins werden.

Ringelreihen mit Maschinenpistole
Korine lässt Extreme kollidieren. Das fängt mit der Besetzung an, die ihm ein ungewohntes Publikum bescheren wird: Ashley Benson als Britt war bislang vor allem als Seriendarstellerin bekannt. Cotty wird von Rachel Korine gespielt, der jungen Ehefrau des Regisseurs. Vanessa Hudgens (Candy) und Selena Gomez (Faith) sind beide Disney-Stars – das heißt, ihre Karriere begann bei dem für brave Familienunterhaltung bekannten Konzern. Ihre Rollen in „Spring Breakers“ stehen dem diametral entgegen. Während Gomez mit dem religiösen Background ihrer Figur und einer frühzeitigen Rückreise noch ein wenig vom Bild des braven Mädchens bewahrt, bricht Hudgens für „Spring Breakers“ radikal mit ihrem bisherigen Image. Immer gut für die Vermittlung zwischen Mainstream und Underground ist auch James Franco, der bislang in so unterschiedlichen Filmen wie „Spider-Man“ und „Howl“ (wo er den jungen, schwulen und drogensüchtigen Allen Ginsberg mimte) auftrat. In „Spring Breakers“ spielt der Frauenschwarm einen leicht irren Rapper und Gangster. Die Vermischung der Extreme kulminiert in „Spring Breakers“ in einer großartigen Szene: Franco sitzt am Strand an einem weißen Flügel und intoniert Britney Spears’ „Everytime“ (noch ein gefallener Disney-Kinderstar), während sich drei der Mädchen mit Tiger-Bodys und pinken Skimasken über dem Kopf Ringelreihen tanzend um den Flügel drehen – nicht Hand in Hand, sondern den Kreis mit drei Schnellfeuergewehren schließend.

Coming of Rage
Auch wenn man kaum explizite Gewalt- und Sexszenen sieht – zu dem Zeitpunkt ist der Film schon lange jenseits dessen, was sich der durchschnittliche Disney-Fan vorstellen will. Doch im Vergleich zu Korines bisherigem Werk ist „Spring Breakers“ massentauglich. Mit Anfang 20 hat er das Drehbuch zu Larry Clarks Teenie-Drogen-Aids-Drama „Kids“ geschrieben, zwei Jahre später folgte mit „Gummo“ ein Film über die Verwahrlosung in der weißen Unterschicht und wiederum zwei Jahre darauf mit dem Dogma-Film „Julien Donkey Boy“ mit Chloë Sevigny und Werner Herzog das Portrait eines schizophrenen Jungen. Nach diversen Musikclips, Kunstprojekten, gescheiterten Filmprojekten und Drogenproblemen kam 2007 „Mister Lonely“ über eine Community mit lauter Doppelgängern berühmter Stars. 2009 erschien schließlich seine lustig-verstörende VHS-Mockumentary über debile randalierende Rentner. Mit ihrer ständigen Nachahmung von Posen und Klischees wirken auch die Protagonistinnen in „Spring Breakers“ wie Doppelgänger, zugleich scheint der Film das Positiv – im Sinne einer jugendlichen, weiblichen Hochglanz-Variante – von „Trash Humpers“ zu sein. Denn trotz krasser Themen und subversiver Momente: Der Film sieht richtig gut aus. Korines fließende, die Chronologie dezent brechende Dramaturgie trifft auf eine zunehmend halluzinogenere, von permanenten Wiederholungen durchzogene Eleganz, die sich bis zuletzt durch die immer krasseren Sex- und Gewaltabenteuer der Mädchen – Korine nennt es angelehnt an das Genre des Coming of Age-Films „Coming of Rage“ – zieht.

Als zu Beginn ein kleiner Überfall auf ein Diner den Trip finanzieren soll, sagt eines der Mädchen, um die Hemmschwelle abzubauen: „Pretend like it’s a video game“. In einer so gespenstischen wie raffinierten Plansequenz umkreist die Kamera den Überfall. Und schon hier merkt man, dass Korine den Widerspruch zwischen Ästhetik und Kritik nicht auflösen will. Er zeigt bei allem Vorbehalt Empathie für die Wünsche der Mädchen und feiert ihr postfeministisches Aufbegehren sowohl visuell als auch akustisch mit dem richtigen Soundtrack. Alles andere ginge komplett am Zielpublikum vorbei.

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(Christian Meyer)

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