Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.582 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Regisseur Götz Spielmann
Foto: Presse

Das eigentlich Schöne an Filmen

28. Mai 2014

Regisseur Götz Spielmann über „Oktober November“ – Gespräch zum Film 06/14

Götz Spielmann, Jahrgang 1961, studierte in den 80er Jahren an der Filmakademie Wien. 1990 legte er sein Kinodebüt vor. Er arbeitet auch für Fernsehen und Theater. Seine Filme „Die Fremde“ (2000), „Antares“ (2004) und „Revanche“ (2008) waren für den Oscar nominiert.

Herr Spielmann, was war der Anstoß für sie, diese Familiengeschichte zu erzählen?
Wenn ich das noch wüsste. Man arbeitet eben so vor sich hin, hat da einen Ansatz zu einer Idee, dort einen anderen, und irgendwann fügt sich Dieses und Jenes, und plötzlich sieht und spürt man einen Sinn, und die Arbeit bekommt ein klar gefühltes Ziel... Es sind immer viele und ganz verschiedene Anstöße, die eine Geschichte braucht.

Ihr letzter Film „Revanche“ glich beinahe einer griechischen Tragödie. Die Dramaturgie des neuen Films ist hingegen sehr offen. Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Ich wollte einen Film machen, der dem Leben möglichst nahe kommt. Und ich hatte den Eindruck, dass die dramatische Struktur, die sogenannte klassische Dramaturgie, wie sie landauf, landab gelehrt und gepriesen wird, dieses Ziel verfehlen würde. Das Leben ist ja im Allgemeinen eher episch als dramatisch. So scheint es mir jedenfalls.

Oktober November umkreist die unausgesprochene schmerzliche Vergangenheit einer Familie. Im Gegensatz zu vielen anderen Filmen gibt es aber nicht das eine, traumatische Ereignis, sondern ein Gewebe an zwischenmenschlichen Problemen. Wie bekommt man diese Komplexität filmisch in den Griff?

Das hab ich mich beim Schreiben und Konzipieren des Filmes auch des Öfteren gefragt. Vielleicht spielt auch hier die Antwort auf die vorherige Frage, dass das Leben eher episch als dramatisch ist, eine Rolle.

Die Sterbeszene ist sehr lang und auch extrem langsam inszeniert. Der Akt des Sterbens hat in ihrer Geschichte für die Figuren eine viel bedeutenderen Stellenwert als das Totsein...

Es ist ja ein Mysterium, das ich da zeige. Eine Erfahrung auch. Die zwei Schwestern machen diese Erfahrung und machen sie gemeinsam. Es ist ganz natürlich und ganz notwendig, dass das in dieser genauen Aufmerksamkeit geschieht. In unserer Zivilisation ist das Sterben ja stark verdrängt, ins Unsichtbare abgeschoben. Wenn den Menschen ihre Endlichkeit bewusster wäre, würden sie nicht so zahlreich zu Konsumidioten gemacht werden können. Da begegnen sich das Existentielle und das Politische.

Die Darsteller sind beeindruckend. Man hat das Gefühl, sie bislang noch nicht so intensiv erlebt zu haben. Was zeichnet ihre spezielle Arbeitsweise mit den Schauspielern aus – fließt ihre Theaterarbeit dort ein?

Danke, das freut mich. Da spielt so vieles zusammen, dass ich das jetzt so schnell gar nicht genau beschreiben kann. Die Arbeit mit Schauspielern habe ich mir aber vor allem beim Filmemachen erworben, nicht umgekehrt.

Der dramaturgische Rhythmus des Films ist wechselhaft, und auch der Schnitt irritiert mitunter durch lange Einstellungen hier und recht plötzliche Abblenden dort. Welche Überlegungen stehen hinter solchen Entscheidungen?

Dahinter stehen musikalische, formale, rhythmische Entscheidungen. Also sehr lustvolle. Die Form und die Musikalität sind ja in der Tiefe das eigentlich Schöne an Filmen.

INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

„Die Geschichte ist jetzt unfassbar aktuell“
Regisseur Andreas Dresen über „In Liebe, Eure Hilde“ – Gespräch zum Film 10/24

„Es geht um Geld, Gerechtigkeit und Gemeinschaft“
Regisseurin Natja Brunckhorst über „Zwei zu eins“ – Gespräch zum Film 07/24

„Ich muss an das glauben, was ich filme“
Denis Imbert über „Auf dem Weg“ – Gespräch zum Film 12/23

„Ich hatte bei diesem Film enorm viel Glück“
Tarik Saleh über „Die Kairo Verschwörung“ – Gespräch zum Film 04/23

„Ich wollte das Geheimnis seiner Kunst ergründen“
Regina Schilling über „Igor Levit – No Fear“ – Gespräch zum Film 10/22

„Ich wollte das damalige Leben erfahrbar machen“
Maggie Peren über „Der Passfälscher“ – Gespräch zum Film 10/22

„Migration wird uns noch lange beschäftigen“
Louis-Julien Petit über „Die Küchenbrigade“ – Gespräch zum Film 09/22

„Die Wüste ist ein dritter Charakter im Film“
Stefan Sarazin über „Nicht ganz koscher – Eine göttliche Komödie“ – Gespräch zum Film 08/22

„Er hat das Erlebnis Krieg niemals überwunden“
Jürgen Prochnow über „Leanders letzte Reise“, Altersrollen und den Dreh in der Ukraine – Roter Teppich 09/17

„Ein Film über das heutige Spanien“
Regisseurin Icíar Bollaín über ihren neuen Film „El Olivo – Der Olivenbaum“ – Gespräch zum Film 08/16

„Ich bin kein Paintball-Kandidat“
Volker Bruch über „Outside the Box“, Castings und Paintball-Spiele – Roter Teppich 06/16

„Mir geht es darum, Gefühle zu vermitteln“
Vicky Krieps über „Colonia Dignidad“, ihre Theatererfahrungen und Philip Seymour Hoffman – Roter Teppich 02/16

Gespräch zum Film.

HINWEIS