choices: Herr Langevoort, was ist heute unter einem „international konkurrenzfähigen Konzertsaal” zu verstehen?
Louwrens Langevoort: „International konkurrenzfähig“ ist ein dehnbarer Begriff. In meinem Haus spielen Künstler aus aller Welt. Sie kommen gerne hierher, weil der Saal schön und das Publikum für vieles offen ist. Außerdem hat sich weltweit herumgesprochen, dass die Akustik perfekt ist und der Saal deshalb zu den besten von Europa zählt. Unter diesem Aspekt sind wir international konkurrenzfähig. Andererseits: Die Zahl der Menschen, die wegen eines Konzertes in der Philharmonie aus Paris, London oder Madrid nach Köln kommen, dürfte eher gering und zu vernachlässigen sein. Unser Programm richtet sich zunächst an die Kölner. Die haben inzwischen ihre Philharmonie lieben gelernt, unser Programm angenommen. Ich persönlich finde es wichtig, dass unser Haus mit der Stadt lebt. Ein Teil der Programmierung wie unsere Reihen PhilharmonieLunch oder die Veedel-Konzerte trägt dem Rechnung. Wir sind offen zur Stadt und wollen auch für uns werben.
In die Philharmonie kommen doch nicht nur KölnerInnen. Natürlich ziehen wir Menschen aus der ganzen Region an. Das ist selbstverständlich. Unser Einzugsbereich liegt bei 60 bis 80 Kilometer, reicht also über Düsseldorf und Bonn hinaus.
Derzeit wird über eine Klassik-Krise diskutiert – das Alter des Publikums soll zu hoch sein … Ich teile nicht die Auffassung, dass die Klassik sich in einer Krise befindet. Und vergessen Sie nicht, dass die Philharmonie nicht nur im Klassik-Sektor verankert ist: Das Programm umfasst auch Jazz, Weltmusik und alle Arten von kölscher Musik bis hin zum Karneval. Bei all diesen Konzerten erreichen wir unterschiedliche Besucher, auch was das Alter betrifft. Bei manchen Konzerten überwiegen sogar eindeutig die Jungen.
Gibt es Konkurrenz in der Region? Direkte Konkurrenz finde ich nicht. Es gibt andere Anbieter, so wie die Tonhalle Düsseldorf und die Beethoven-Halle in Bonn. Beide Hallen sind so aufgestellt, dass wir gut mit ihren Angeboten leben können.
Sie haben sich aber kritisch zum inzwischen aufgegebenen Neubau eines Bonner Beethoven-Festspiel-Hauses geäußert. Ich habe Frau Dieckmann seinerzeit nur auf die Tatsache aufmerksam gemacht, dass man vor allem das Angebot in der kompletten Region Köln-Bonn unter die Lupe nehmen muss – ein Aspekt, den man meiner Meinung nach bei der Planung eines solchen Hauses hätte berücksichtigen müssen. Frau Dieckmann hat zwar mitteilen lassen, sie lade zu einem Gespräch ein, hat aber dann nichts mehr von sich hören lassen.
Sprechen Sie hier die üblichen Marktanalysen an, die häufig nicht nur bei Neubauten von Konzerthäusern erstellt werden? Die entsprechenden Prognosen für Essen und Dortmund waren seinerzeit äußerst optimistisch. Ich denke, ein Haus muss sich sein Publikum auch erspielen. Man muss sich die Zeit geben, ein Haus zu entwickeln. Wenn man sich die ersten Jahre der Philharmonie nach 1986 anguckt, wird man vor allem feststellen können, dass am Anfang weniger gespielt wurde und erst langsam das Angebot gewachsen ist.
Köln kämpft mit finanziellen Schwierigkeiten. Ist davon auch die Philharmonie als städtische Tochter betroffen? Wie reagieren Orchester und Künstleragenten auf die zunehmenden finanziellen Zwänge? Köln ist ja nicht die einzige Stadt, die von dieser Entwicklung betroffen ist. Andernorts ist es häufig noch schwieriger. Das wissen auch die Künstler, das weiß die Branche. Was die Situation der Philharmonie betrifft: Ich muss akzeptieren und akzeptiere, dass weniger Geld zur Verfügung steht und arbeite entsprechend, um mit dem Geld auszukommen. Was allerdings nicht unter diesen Bedingungen leiden darf, ist die Qualität des Programms. Hier müssen wir unsere Standards halten.
Der Bonner OB Jürgen Nimptsch hat mehrfach angekündigt, den „Kulturstandort Bonn unter Einbeziehung der Region“ neu aufzustellen. Er hat wohl auch mit Kölns OB Roters gesprochen. Wäre für Sie eine stärkere regionale Orientierung eine Option, eine Philharmonie KölnBonn als Perspektive? Unser Angebot gilt ja bereits über unsere Stadtgrenzen hinaus, daher sind wir auch in Bonn bekannt. Natürlich ist Beethoven in meiner Programmierung präsent. Ich denke nicht, dass man dafür nach Bonn reisen muss. Ein rheinisches Beethoven-Fest würde vielleicht gut zur Region passen.
Kein Interview zur Kölner Kultur ohne Frage nach dem U-Bahn-Bau. Sie haben vor einigen Monaten moniert, dass der U-Bahn-Tunnel unter der Philharmonie den Konzertbetrieb stören könnte. Hat sich da etwas getan? Bei den nächtlichen Tests war ein Rauschen zu hören. Die KVB arbeitet jetzt daran, uns die Angst vor möglichen Störungen zu nehmen. Ich habe übrigens schon sehr früh darauf hingewiesen. Erst nach dem Einsturz des Stadtarchivs wurden diese Einwände ernst genommen.
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