Der mexikanische Anführer eines Drogenkartells – Juan „Manitas“ Del Monte – lebt perfekt abgeschirmt von der Außenwelt, um sein so finanzkräftiges wie brutales Reich zu regieren. Die Geschäfte führt er von einem streng überwachten, monströsen Off-Road-LKW aus. Die junge, erfolgreiche, aber schlecht bezahlte Anwältin Rita erhält ein Jobanagebot von ihm: Sie soll ihm helfen, unterzutauchen. Um dann wieder aufzutauchen – aber als Frau. Denn auch an Del Monte nagt das moralische Gewissen und außerdem das zermürbende Gefühl, als Frau im Körper eines Mannes gefangen zu sein. Rita soll sich darum kümmern, dass er eine Geschlechtsumwandlung machen kann, seine Familie abgesichert ist und seine Wiederkehr als Frau nicht auf den amoralischen Drogenboss zurückzuführen ist, der er dann nicht mehr sein wird. Jacques Audiard ist einer der profiliertesten Regisseure weltweit, und er weiß das Publikum immer wieder zu überraschen. Diesmal mit einem Musical über toxische Männlichkeit und den Versuch, daraus auszubrechen: „Emilia Pérez“ (Cinedom, Cinenova, Filmpalette, Lichtspiele Kalk, Odeon, Rex, OmU im Cinedom, Cinenova, in der Filmpalette, im Odeon, OFF Broadway und in den Lichtspielen Kalk, OmeU im Cinenova und Metropolis). Audiard, der zunächst an Originalschauplätzen drehen wollte, hat schließlich ganze Straßenzüge für sein in Mexico angesiedeltes Musical-Drama in Frankreich nachbauen lassen. Doch das merkt man nicht einmal, wenn man es weiß. Die Superheldinnen-Darstellerin Zoë Saldaña darf hier als ausgebildete Tänzerin und Sängerin in ihrer Rolle als Anwältin glänzen, die Transschauspielerin Karla Sofía Gascón verkörpert Mann und Frau gleichermaßen beeindruckend. Zusammen mit Ariana Paz haben sie in Cannes den Darsteller:innen-Preis erhalten, Audiard den Preis der Jury.
Der Essener Arbeitersohn Jürgen Baldiga (1959-1993) ging Ende der 1970er Jahre nach Berlin, um der Spießigkeit seiner Familie zu entkommen und seine Homosexualität auszuleben. Zunächst Stricher, dann Model für Salomé, wurde er schließlich selbst als Fotograf bekannt, vor allem, weil er sein persönliches Umfeld und die Subkultur der geteilten Stadt so authentisch einzufangen verstand. Markus Stein („Unter Männern – Schwul in der DDR“) greift in seiner Dokumentation „Baldiga - Entsichertes Herz“ (Filmhaus) auf die umfangreichen Tagebuchaufzeichnungen Baldigas zurück, hat Weggefährten interviewt und präsentiert uns Baldiga in zeitgenössischen Super-8- und Video-Aufnahmen. Heraus gekommen ist dabei ein umfassendes Porträt eines zu kurzen Künstlerlebens auf dem Höhepunkt der AIDS-Epidemie.
Die 1980er: Kowloon Walled City, Hongkonger Bezirk mit der weltweit höchsten Bevölkerungsdichte, wird von Tiraden regiert. Eines Tages taucht Lok auf und gerät zwischen die Fronten. Der Moloch kocht, das Schicksal frohlockt. Und Lok schlägt sich durch. Wortwörtlich. Regisseur Soi Cheang adaptiert mit „City of Darkness“ (Cinedom, Rex, UCI) die Graphic Novel von Yu-Yi und verbeugt sich mit seiner Produktion vor dem Hongkong-Actionkino der 80er. In Zeiten von den ungleich raueren „The Raid“ und „John Wick“ dreht er das Rad liebevoll zurück, hebt die Schwer kraft auf, begeistert am laufenden Band mit spektakulären Kampf - choreos und setzt dabei mehr auf Herz und Humor statt auf Blutzoll. Der Verzicht auf manche CGI-Effekte hätte dieser nostalgischen Hommage noch besser gestanden. Insgesamt aber ein richtig guter Spaß.
Außerdem neu in den Kinos: die Eberswalde-Doku „Über uns von uns“ (Filmhaus) von Rand Beiruty, das Mutterdrama „Vena“ (Odeon, Rex) von Chiara Fleischhacker, das Künstlerportrait „Jeff Koons: A Private Portrait“ von Pappi Corsicato, die Gesellschaftskomödie „Der Vierer“ (Cinedom, Cineplex, Residenz, UCI) von Iván Sáinz-Pardo, der See-Schocker „Caddo Lake“ (Cinedom, UCI) von Celine Held und Logan George und das Disney-Sequel „Vaiana 2“ (Cinedom, Cineplex, Metropolis, Rex, UCI, OV im Cinedom, Cineplex und UCI) von David G. Derrick Jr.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Zwischen Staat und Jugend
Die Filmstarts der Woche
Schussbereite Romantik
„Der Reichsbürger“ in der Kölner Innenstadt – Auftritt 01/25
Kino als Empathie-Maschine
Warum wir Kino in Zukunft mehr brauchen denn je – Vorspann 01/25
Was erreicht worden ist
Warum Nostalgie auch in die Zukunft weist – Spezial 01/25
Rassismus kostet Wohlstand
Teil 1: Leitartikel – Die Bundesrepublik braucht mehr statt weniger Zuwanderung
Klamauk und Trauer
„Die Brüder Löwenherz“ in Bonn – Theater am Rhein 01/25
Vererbte Traumata
Stück über das Thiaroye-Massaker am Schauspiel Köln – Prolog 12/24
Friedenslieder zum Jahresende
„Silvesterkonzert – Bernstein & Gershwin“ in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 12/24
Im Land der Täter
„Fremd“ am Theater Bonn – Theater am Rhein 12/24
Mehr als Bilder an der Wand
„Museum der Museen“ im Wallraf-Richartz-Museum – kunst & gut 12/24
Originelle Qualität
„Weihnachten mit Daniel Hope“ in der Philharmonie Essen – Klassik an der Ruhr 12/24
Ein Bild von einem Mann
„Nachtland“ am Theater Tiefrot – Theater am Rhein 12/24
Spenden ohne Umweg
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Netzwerk 2. Hand Köln organisiert Sachspenden vor Ort
Die Erfolgsgarantin
Hanna Koller kuratiert die Tanzgastspiele für Oper und Schauspiel – Tanz in NRW 12/24
Übers Ankommen in Deutschland
„Zwischen Sein und Nichtsein“ von Leocadie Uyisenga – Film 12/24
Schlechte Zeiten: Gute Zeiten
Die Macht der Nostalgie – Glosse
Malerische Fotografie
„Foto – Kunst – Foto“ im Clemens Sels Museum Neuss – Kunst in NRW 12/24
Das Mensch
„Are you human“ am TiB – Theater am Rhein 12/24
„Früher war Einkaufen ein sozialer Anlass“
Teil 1: Interview – Wirtschaftspsychologe Christian Fichter über Konsum und Nostalgie
Freude und Bedrückung
35. Vergabe der Kölner Tanz- und Theaterpreise in der SK Stiftung Kultur – Bühne 12/24
Stark durch Solidarität
„Billige Hände“ im Filmhaus – Foyer 12/24
Doppelte Enthüllung
„Sputnik“ von Nikita Afanasjew – Literatur 12/24
Unglaublich, aber essbar
Todmorden und die Idee der „essbaren Stadt“ – Europa-Vorbild England
Offen und ambitioniert
Andreas Karlaganis wird neuer Generalintendant in Düsseldorf – Theater in NRW 12/24
Kampf den weißen Blättern
Zwischen (Auto-)Biografie und Zeitgeschichte – ComicKultur 12/24