Bereits in der Antike existieren Geschichten über den Wettstreit der Nachtigallen, die im Schöngesang bis zur Ohnmacht stritten. In der Barockzeit ersetzte ein Erzähler eine Nachtigallenpartei durch einen Lautenspieler. Der sitzt am Ufer des Tiber und zupft sein Instrument. Im Laub lauscht eine Nachtigall und zwitschert ein Echo. Der Lautenist steigert sein Spiel, der Vogel zieht mit, bis er aus rauer Kehle pfeift wie eine Trompete. Entkräftet sinkt das singende Tier bald leblos auf die Laute des Konkurrenten – als „Musicks Duell“ wird diese Fabel weitererzählt. Auch im scheidenden Jahr ging die Laute als Sieger hervor. Die Mandoline, auch eine Laute, wurde amtlich als „Instrument des Jahres 2023“ gekürt.
Im 17. und 18. Jahrhundert bewunderten Komponisten die „herrliche Resonantz“ der vielen Saiten. Aber vor ziemlich genau 100 Jahren entdeckten die Arbeiter- und Wandervogelbewegung die leicht zu bedienenden Zupfinstrumente und formierten sich zu Horden in Zupforchestern – handmade music in vorwiegend mit Laien besetzten Spielgruppen. Der Schweizer Musikwissenschaftler Briner-Aimo charakterisierte 1998 den Sound des „auf die Dauer für heutige Ohren schwer erträglichen Gezirpe und Tremolo eines (häufig auch leicht verstimmten) Mandolinenorchesters“ als nicht mehr zeitgemäß. Aber in der heutigen Großelterngeneration waren Mandolinenvereine noch omnipräsent wie Chorgesellschaften.
Dass ein einzelner Mandolinenspieler die Musikszene rockt – und damit nicht nur die Barockmusik aufmischt, sondern auch den Klezmer und die zeitgenössische ernste Musik, diese einzigartige Bewegung hat einen Namen: Avi Avital, der Klang allein verschreckt Nachtigallen, wurde zum ersten Grammy-notierten Botschafter der Mandoline. In seinem Heimatland Israel studierte er in Jerusalem, später in Italien.
Von dort stammt das Ensemble „Giardino Armonico“, dessen leitender Gärtner Giovanni Antonini als ebensolcher Teufel auf der Blockflöte mit den Mandolinensaiten in einem Doppelkonzert von Bach auftritt. Das Ensemble lebt italienischen Barock seit bald vier Jahrzehnten und verhalf u.a. dem Opernstar Cecilia Bartoli, einer Diva mit reichlich Herzblut, als Wesensverwandte zu einem Grammy. Ein Stück von „einem guten Freund“ (Avi). So geht Musik.
Avi Avital: Giardino Armonico | So 17.12. 16 Uhr | Kölner Philharmonie | 0221 28 02 80
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