Mit dem ersten Rock-Musical „Bye Bye Birdie“ feierten Charles Strouse (Musik), Lee Adams (Song-Texte) und Michael Stewart (Buch) 1960 ihr gleich mit sechs „Tonys“ ausgezeichnetes Broadway-Debüt. Trotz einer starbestückten Verfilmung (1963) mit Ann-Margret, Dick Van Dyke und Janet Leigh blieb das Musical hierzulande nahezu unbekannt.
Doch diesen Sommer hat die vom Hessischen Staatstheater in Wiesbaden ausgeliehene Regisseurin und Choreographin Iris Limbarth das Musical für die imposante Emsländische Waldbühne in Meppen wiederentdeckt – und Besucher weit über die Landesgrenzen hinweg angelockt.
Eingebettet in das mit Anleihen bei den Pop-Art Künstlern Roy Lichtenstein und Andy Warhol als Baustein-Modul konzipierte Bühnenbild von Reinhard Wust nimmt der alltägliche (Teenie-)Wahnsinn in einer US-Kleinstadt seinen Lauf: Das Rock-Idol Conrad Birdie wird sehr zum Leidwesen seiner Fans und seines kurz vor dem Bankrott stehenden Agenten Albert Peterson zur Armee eingezogen. Da hat Alberts Sekretärin und Möchtegern-Ehefrau Rosie einen brillanten Einfall: Albert soll für Conrad den Song „One Last Kiss“ komponieren. Diesen Kuss soll er dann einem unter seinen zahlreichen Fans ausgelosten Mädchen medienwirksam vor seiner Abreise nach Europa aufdrücken. Die Wahl fällt auf Kim McAffee aus Sweet Apple, Ohio ...
„Du bist der Hauptgewinn“, gratulieren Kims Freundinnen ihr zum Kuss-Rendezvous. Und auch in der (Bühnen-) Realität hat Iris Limbarth mit der jungen Caren de Jong das große Los gezogen. Sie verleiht ihrer Kim – gesanglich, tänzerisch und schauspielerisch den Profis im Ensemble ebenbürtig – jene authentische Aura zwischen hysterisch-schmachtendem Teenager und erwachender Frau („Wie schön, sich als Frau zu fühlen“), die den Zuschauer selig in die 50er Jahre eintauchen lässt. Und wenn man bei den glücklicherweise im Original belassenen Songs „Honestly Sincere“ und „One Last Kiss“ die Augen schließt, dann meint man, durch Andreas Langschs kraftvolle Interpretation die Wiederauferstehung Elvis Presleys mitzuerleben. Glücklicherweise behalten aber auch Show-Stopper wie „Put On A Happy Face“ in ihrer deutschen Übersetzung („Leg jetzt ein Lächeln auf“) ihren Charme. Vor allem, weil Rainer Maaß bei diesem Song wieder einmal die ganze Bandbreite seines Musical-Talents zeigen kann: Urkomisch tanzt, singt und spielt er sich durch die Szene. Die beherrscht auch Julia Felthaus mit jedem ihrer Auftritte durch ihre charismatische Bühnenpräsenz, die bei „Spanish Rose“ ihren inszenatorischen Höhepunkt findet.
Natürlich ist das alles ein Verdienst der präzisen Schauspielerführung von Iris Limbarth, die selbst aus den Kinderdarstellern wie Damian Hanke (als Kims kleiner Bruder) Erstaunliches herausholt. So ganz nebenbei scheint sie da mit Marina Kotte (als Teenie Ursula), die in ihrer Quirligkeit ein wenig an die junge Judy Garland erinnert, ein Talent aus dem Hut gezaubert zu haben, dem, wie Caren de Jong, einmal die Musical-Bühnen die Bretter dieser Welt bedeuten könnten.
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