In Bonn hing die Messlatte nach den gelungenen Musical-Inszenierungen der letzten Spielzeiten („u.a. „West Side Story, „Chicago“) hoch. Umso verwunderter war man, dass man diesmal mit Jens Kerbel einen ausgewiesenen Opern-Spezialisten mit der Regie beauftragt hat. So trifft die Leichtigkeit des amerikanischen Musiktheaters auf die Schwere der europäischen Oper. Zum Glück hat Kerbel mit der Choreographin Sabine Artholt und der Bühnenbildnerin Momme Hinrichs zwei Kreative mit an Bord, die die Fallhöhe gekonnt abfedern.
Mel Brooks zum Musical erwachte Horrorfilm-Parodie „Young Frankenstein“ (1974) erzählt vom jungen Neurochirurgen Frederick Frankenstein, der nach Transsilvanien reist, um den Nachlass seines Großvaters Victor zu regeln. Der hatte seinerzeit durch Menschenversuche einen zweifelhaften Ruf erworben. Dort trifft Frederick dessen attraktive Laborassistentin Inga, seine Haushälterin und Geliebte Frau Blücher und Victors schrägen Diener Igor. Die drei überreden ihn, in die Fußstapfen seines Großvaters zu treten und ein neues Monster zu erschaffen. Das ent- und verführt dann Frederiks nachgereiste Verlobte und ruft die Dorfbewohner auf den Plan, die Monster und Schöpfer lynchen wollen. Aber Dank Frederiks Einfallsreichtum und der guten alten Broadway-Tradition gibt es schließlich ein (mehrfaches) Happyend.
Eher Broadway-Routine sind dagegen die Melodien in Brooks Musical: eingängig, aber nicht gerade nachhaltig. So erstaunt es nicht, dass der einzige Ohrwurm von Irving Berlin „geklaut“ ist: „Puttin‘ on the Ritz“. Von Sabine Arthold als fulminante Ensemble-Stepp-Nummer choreographiert wird der Song zum Showstopper des Abends. Dass Mel Brooks anarchischer Humor vor keiner „Gürtellinie“ zurückschreckt, bekommt in heutigen MeToo-Zeiten allerdings einen faden Beigeschmack. Um diese politisch-unkorrekten Derbheiten abzumildern, hätte es schon einer geschmackssicheren Inszenierung bedurft. Aber Regisseur Jens Kerbel tritt in jedes Fettnäpfchen, das ihm das Libretto in den Weg stellt. Glücklicherweise gelingt es dem bis in die Nebenrollen stimmig besetzten Ensemble ebenso wie der dynamischen, neunköpfigen Tanz-Truppe mit ihrer Spielfreude der Schlüpfrigkeit so manche Spitze zu nehmen.
Frankenstein Junior | 19., 20.10., 1., 11., 24.11. | Theater Bonn – Opernhaus | www.theater-bonn.de
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