„Wir befinden uns nicht mehr in der Zeit der sachten Übergänge, die Veränderungen werden schnell einsetzen. Die Stadt wird geradezu auseinander fliegen“, meint Jörg Fürst, der Leiter des Atonal Theaters, wenn er an die Zukunft Kölns denkt. Immerhin wird es zu den prophezeiten Veränderungen schon einmal das passende Festival geben. „Urbäng!“ nennt die Freihandelszone, in der sich vier Kölner Theatergruppen (Futur3, Atonal Theater, Mouvoir, theather-51grad) zusammengeschlossen haben, ihre neue Veranstaltungsreihe, die vom 13. bis 21. Oktober zu sehen ist. „Köln hat sich in den letzten Jahrzehnten immer so durchgemogelt, aber jetzt wird es ernst“, meint Fürst und spricht damit Bereiche wie Kultur, Bildung, Verkehr und sozialen Wohnungsbau an, in denen die Politik große Problemfelder hinterlassen hat.
„Wir waren über 10 Jahre hinweg bemüht, Frischluft nach Köln zu bringen“, erklärt die Choreografin Stephanie Thiersch, und spricht damit das Vorgänger-Festival „Globalize: Cologne“ an, das von Argentinien bis Neuseeland Tänzer und Theatermacher von jedem der fünf Kontinente an den Rhein holte. Eine der verblüffendsten Leistungen dieses Festivals bestand in der Wiederbelebung des Ufa-Palastes, Kölns größtem Kino, als Ort für den Tanz und das Theater. Trotz Vorstellungen zu später Stunde strömte das Publikum auf der Konsum-Meile der Ringe nachts in die international besetzten Vorstellungen.
„Aber nur weil etwas erfolgreich ist, muss man es nicht weitermachen“, erklärt Stephanie Thiersch. Der besondere Reiz des Festivals bestand in seinem Modus. Denn jede der in der Freihandelszone vertretenen Gruppen lud Künstler ein, die man selbst bewunderte oder von denen man sich inspiriert fühlte. „Nicht allen gefiel jede der eingeladenen Gruppen, aber das spielte keine Rolle“, berichtet Stefan H. Kraft von Futur3. Der Modus hat sich bewährt, nun soll sich an der Frage, ob die Gäste mit ihren Arbeiten interessante Perspektiven für die Zukunft der Städte aufwerfen, die Auswahl orientieren. Ob eine Gruppe aus Bonn, Bayern oder Montevideo kommt, spielt keine Rolle mehr. „Denn diese Zukunft ist unsere Lebenszeit, wir müssen herausfinden, wie wir leben wollen“, meint Thiersch.
Programmatisch trägt eine der Performances den Titel „Around the Fireplace“, bei der man mit Flüchtlingen aus Kölner Unterbringungen zusammensitzen wird. Oliver Schneider wird kochen und Frank Schmidt die Geräusche in eine akustische Installation verwandeln. „Urbäng!“ soll ein Festivalzentrum haben, das in der Orangerie des Volksgartens mit einer Bar und einem Pizzaofen ausgestattet ist. Die Freihandelszone kommt allerdings auch zu ihrem Publikum. Man will Besuchergruppen auch jenseits der bildungsbürgerlichen Enklave gewinnen. Deshalb ziehen die Künstler mit einem Truck durch die Stadtviertel und präsentieren 20-minütige Vorstellungen, um anschließend mit den Passanten ins Gespräch zu kommen. Eröffnet wird das Festival mit zwei Köln-Premieren. In der Orangerie zeigt der brasilianische Choreograf Marvelo Evelin mit seiner Produktion „Black with People“ wie Tanz die Vielfalt der menschlichen Temperamente in Bewegung versetzt, wobei Evelin die dunklen Seiten nicht unterschlägt. Stephanie Thiersch präsentiert zeitgleich im Staatenhaus der Oper ihre Ensemble-Produktion „Bronze by Gold“, die so aufwändig mit Tänzern, DJs und den Musikern des Asasello Quartetts konzipiert ist, dass sie in der freien Szene nie zuvor gezeigt werden konnte.
Urbäng! – Festival für performative Künste | 13.-21.10. | Festivalzentrum: Orangerie | freihandelszone.org/urbaeng.html
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