Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine und dem Angriff der Hamas auf Israel sind auch zwei Kriege in und bei Europa ins Bewusstsein der Bevölkerung gelangt. Politische Diskussionen verschärfen sich. Ist es schwieriger, heute Pazifist zu sein? Ja, aber umso notwendiger, sagt Joachim Schramm, Geschäftsführer des nordrheinwestfälischen Landesverbandes der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen e.V.
Seit 1892 gibt es die Friedensgesellschaft, gegründet wurde sie von Bertha von Suttner und Alfred Herrmann Fried, die später den Friedensnobelpreis erhielten. „Was uns auszeichnet, ist die Kontinuität“, so Schramm. Der Landesverband sollte dazu beitragen, die arbeitende Bevölkerung in die Friedensarbeit einbeziehen, hatte der Bundesverband doch zunächst eine sehr bürgerlich geprägte Mitgliedschaft. Heute ist der Landesverband NRW mit rund 900 Mitgliedern und knapp 25 Ortsgruppen der größte.
Gegen Bundeswehrwerbung an Schulen
Geschäftsführer Schramm ist seit über 40 Jahren dabei – einst trat er selbst als Kriegsdienstverweigerer bei. Auch wenn die Wehrpflicht ausgesetzt ist, bleibt sie für die Gruppe ein Thema. Regelmäßig wird gegen Werbung der Bundeswehr an Schulen protestiert.
Die Aufgabe des Vereins sieht Schramm vor allem in der Schaffung einer Gegenöffentlichkeit. Das Bildungswerk, das Workshops und Veranstaltungen ausrichtet, wurde ausgegliedert, um eine Gemeinnützigkeit zu ermöglichen. Mit Diskussionsveranstaltungen oder Protestaktionen soll Aufmerksamkeit geschaffen werden – im Zweifelsfall auch mit Formen des zivilen Ungehorsams.
Zuletzt rief der Verein zum Demonstrationszug in die Kleinstadt Kalkar nahe der holländischen Grenze. Am dortigen Luftwaffengefechtsstand, der temporär das Kommando über die Nato-Luftstreitkräfte hat, wurde für ein Ende des Ukrainekrieges und gegen die Politik der Nato demonstriert.
Gegen nukleare Teilhabe
Abgelehnt werden auch die Abschreckungsstrategie der sogenannte nukleare Teilhabe, durch die auch in Deutschland US-amerikanische Atomwaffen lagern – sowie Waffenlieferungen ins Ausland. „Kriege in der sogenannten Dritten Welt wären ohne deutsche Rüstungsexporte gar nicht möglich“, sagt Schramm. Ebenso müsse man jedoch Kriegsursachen wie die Organisation der Weltwirtschaft, Hunger und Armut sowie die Klimakrise in den Blick nehmen. Gerade die Klimakrise möchte der Verein zukünftig stärker aufgreifen.
Inmitten des Krieges in der Ukraine habe sich die gesellschaftliche Stimmung gewandelt. Schramm spricht von einer „Militarisierung der öffentlichen Meinung“. Ihn störe die Leichtigkeit, mit der neue Waffen gefordert werden. Und doch stelle er in Gesprächen mit Bürgern fest, dass die Meinungen oft differenzierter seien, als es medial vermittelt werde.
Für den Verein hatte die Weltlage zuletzt sowohl eine Steigerung der Eintritte als auch der Austritte zur Folge. Auch wird aktuell von verschiedenen Seiten versucht, das Friedensthema aufzugreifen. Da würden Parolen und Symbole übernommen, so Schramm. Der Verein bemühe sich, deutlich zu machen, dass es keine Gemeinsamkeiten mit rechten Gruppierungen gibt. Im „Pamphlet“, dem Friedensmanifest u.a. der damaligen Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht, stünde zwar nichts Falsches drin, „dennoch kann man sich wünschen, dass andere es geschrieben hätten“.
WER BEWACHT DIE WÄCHTER? - Aktiv im Thema
digitalcourage.de | Der Verein Digitalcourage setzt sich ein Informationsfreiheit und Datenschutz und diskutiert u.a. staatliche Überwachung und Vorratsdatenspeicherung.
bpb.de/kurz-knapp/taegliche-dosis-politik/522238/verfassungsschutzbericht-des-bfv | Die Bundeszentraler für politische Bildung fasst wesentliche Ergebnisse des aktuellen Verfassungsschutzberichtes zusammen.
idz-jena.de/pubdet/wsd6-5 | Das Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) informiert unter dem Titel „Verdrängte Vergangenheit“ kritisch über den Umgang des Verfassungsschutzes mit rechtem Terror in den 70er und 80er Jahren.
Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
Schreiben Sie uns unter meinung@choices.de
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Wer die Demokratie gefährdet
Intro – Wer bewacht die Wächter?
Missratenes Kind des Kalten Krieges
Teil 1: Leitartikel – Die Sehschwäche des Verfassungsschutzes auf dem rechten Auge ist Legende
„Der Verfassungsschutz betreibt ideologische Gesinnungskontrolle“
Teil 1: Interview – Rolf Gössner über politische Tendenzen des Verfassungsschutzes
Politischen Streit zulassen
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Kölner Grundrechtekomitee und der Verfassungsschutz
Wessen Freund und Helfer?
Teil 2: Leitartikel – Viele Menschen misstrauen der Polizei – aus guten Gründen!
„Polizeibeamte kommunizieren in der Regel in einem Herrschaftskontext“
Teil 2: Interview – Kriminologe Rafael Behr über die kritische Aufarbeitung von Polizeiarbeit
Vertrauen in die Polizei
Teil 2: Lokale Initiativen – Projekt EQAL erforscht das Verhältnis von Stadtgesellschaft und Polizei
Generalverdacht
Teil 3: Leitartikel – Die Bundeswehr und ihr demokratisches Fundament
„Man muss gesetzliche Möglichkeiten schaffen, mit Extremisten umzugehen“
Teil 3: Interview – Militärexperte Thomas Wiegold über Aufgaben und Kontrolle der Bundeswehr
Menschenrecht gegen Polizeikontrolle
Die Allianz gegen Racial Profiling – Europa-Vorbild: Schweiz
Der Beverly Hüls Cop
Warum Gewaltenteilung, wenn es nur eine Gewalt braucht? – Glosse
Ein neues Leben aufbauen
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Verein Mosaik Köln Mülheim e.V. arbeitet mit und für Geflüchtete
Bildung für Benachteiligte
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Verein für multikulturelle Kinder- und Jugendhilfe in Bochum
Ankommen auch im Beruf
Teil 3: Lokale Initiativen – Bildungsangebote für Geflüchtete und Zugewanderte bei der GESA
Spenden ohne Umweg
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Netzwerk 2. Hand Köln organisiert Sachspenden vor Ort
Lebendige Denkmäler
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Route Industriekultur als Brücke zwischen Gestern und Heute
Zivilcourage altert nicht
Teil 3: Lokale Initiativen – Der Verein zur Erforschung der Sozialen Bewegungen im Wuppertal
Jenseits der Frauenrolle
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Immer in Bewegung
Teil 2: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Zusammen und gegeneinander
Teil 3: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 1: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Europa verstehen
Teil 2: Lokale Initiativen – Initiative Ruhrpott für Europa spricht mit Jugendlichen über Politik
Verbunden über Grenzen
Teil 3: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte
Was keiner haben will
Teil 1: Lokale Initiativen – Das Kölner Unternehmen Plastic Fischer entsorgt Plastik aus Flüssen
Korallensterben hautnah
Teil 2: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum