Der „König der Löwen“ hat Konkurrenz bekommen – zumindest was die Qualität der Produktion und das grandiose Bühnenbild angeht. Gleich nebenan hat Stage Entertainment Impressario Joop van den Ende an den Landungsbrücken sein viertes Hamburger Musical-Theater eröffnet. Wie bei seinem sich um Udo Lindenbergs Songs rankenden Ost-West-Musical „Hinterm Horizont“ geht es auch in seiner neuesten Produktion um ein Stück deutscher Nachkriegsgeschichte: „Das Wunder von Bern“, wo die deutsche Fußball-Nationalmannschaft 1954 überraschend Weltmeister wurde. Sönke Wortmann machte daraus 2003 ein berührendes Stück Kino, dass Komponist Martin Lingnau und Liedtexter Frank Ramond zusammen mit Autor und Regisseur Gil Mehmert nun für die Musical-Bühne einrichteten.
Nach dem 2004 im Gelsenkirchener MIR aufgeführten Schalke-Musical „Nullvier - Keiner kommt an Gott vorbei“hat nun ganz Deutschland sein Fußball-Musical – denn Stage Entertainment wird es sicherlich nach Hamburg in seine anderen Häuser im Lande schicken. Aber das kann dauern, denn „Das Wunder von Bern“ hat durchaus das Zeug zum Kult-Musical und Dauerbrenner. Was nicht unbedingt an der Lingnaus Musik liegt. Wie schon beim „Schuh des Manitu“ gelingt ihm auch hier eine zwar gefällige, aber nicht gerade aufregende Musik, die allenfalls in den von Tanja Schön interpretierten Schlager-Nummern zur Hochform aufläuft. Damit wären wir schon bei der Entdeckung des Abends, denn Schön als Verlobte des Sportreporters Ackermann (genauso überzeugend: Andreas Bongart) offenbart gesanglich und schauspielerisch wahre Musical-Qualitäten. Der Rest des Ensembles besticht vor allem durch seine schauspielerische Präsenz, wobei die Regie vor allem die Kinder-Darsteller präzis zu führen versteht. Dass Regisseur Gil Mehmert ein Faible für den Fußball hat, bewies er schon mit seinem (einzigen) Spielfilm „Aus der Tiefe des Raumes“ (2004), einer skurrilenHommage auf Günter Netzer. Die Mythen und Legenden des Fußballs verknüpft er jetzt im „Wunder von Bern“ dramatisch-komödiantisch mit einer berührenden Familiengeschichte: Der fußballbegeisterte Essener Jung Matthias (Hut ab vor den acht alternierenden kleinen Darstellern, die fast ununterbrochen auf der Bühne stehen!), muss mit ansehen, wie sein Vater (mit sonoriger Stimme: Detlef Leistenschneider) aus russischer Kriegsgefangenschaft heimkehrt und den familiären Zusammenhalt bedroht. Dazu parallel verläuft die Geschichte seines Idols Helmut Rahn (nicht nur dribbelstark: Dominik Hees), dessen „Sporttaschenträger“ der 11-Jährige ist und der um seinen Stammplatz in der Nationalmannschaft kämpft. Zum Happy End versöhnen sich Vater und Sohn und machen sich auf zum Endspiel nach Bern...
Allein schon das atemberaubende Bühnenbild von Jens Kilian und den Video-Designern Ad de Haan und Timm Ringewaldt lohnt die Fahrt nach Hamburg: Da erglüht der Ruhrpott im Feuerschein der Hochöfen, eine virtuelle Lok fährt direkt auf uns zu, und beim Endspiel hängen die Fußballspieler an Seilen und laufen über ein vertikales LED-Spielfeld.
Info: www.stage-entertainment.de
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