Alle Kostüme müssen in einen Koffer passen. Das ist für Tänzer nicht unbedingt eine schwierige Vorgabe. Es dürfen nur zehn Scheinwerfer für zwei Akteure glühen, denen 20 Probentage zugestanden werden. Mit diesen Spielregeln gelang dem Staatstheater Mainz die Geburt eines neuen, sparsamen und dennoch inspirierenden Formats. Auf dem Bonner Tanzfestival „Into the Fields“ präsentiert sich tanzmainz mit HOM und FAM, denn die Produktionen werden entweder von Männern oder Frauen getanzt. Die Choreografen Taneli Förmä, Lander Patrick und Adrienn Hód kommen aus Finnland, Brasilien und Ungarn. Mainz könnte ein guter Ideenlieferant für NRW sein, da in Rheinhessen freie und städtische Ensembles zusammenarbeiten.
Für experimentelle „Feldstudien“ ist das Festival unter der Leitung von Rafaele Giovanola und Reinald Endraß, die gemeinsam CocoonDance leiten, gedacht. Aufgrund der vom Land NRW vergebenen „Mittelzentren-Förderung“ – was für ein Wort – können vom 4. bis 18. Februar Tanzkünstler an den Rhein gelockt werden, die in ihrer Ästhetik eigenwilligen Charakter beweisen. Dazu zählen etwa Álvaro Esteban und Laura Aris, die zehn Jahre zur Gruppe um Wim Vandekeybus gehörte. In ihrem Duett „Cualquier Manana...“ denken die beiden über die Zerbrechlichkeit moderner Paarbeziehungen nach. Der Tanz ist ein vorzügliches Instrument zur Analyse von Gesten. Wie schnell kann ein unbedachter Augenblick den Riss in einem Beziehungsgeflecht auslösen, eine Frage, deren körperliche Konsequenzen das Duo zeigt.
Auch Helene Weinzierl ist den Realitäten unserer Wahrnehmung auf der Spur. Den Titel „Bluff“ versteht sie programmatisch, rangiert die akzeptierte Täuschung in unseren Tagen doch weit höher im Kurs als die uncoole Wahrheit. Die Choreografin konfrontiert uns mit wechselnden Perspektiven, die dem Körper eine Irrealität verleihen, die das Publikum irritiert und letztlich an der eigenen Wahrnehmung zweifeln lässt.
Der Dialog zwischen Bild und Betrachter steht seit Jahren auch im Zentrum der Produktionen von CocoonDance. Trotzdem ähnelt kein Stück dem anderen, wie die neue Arbeit „No Body But Me“ überzeugend demonstriert. Hier geht es um den lustvollen Blick auf den Körper, und zwar den von Männern und Frauen. Die Tänzer stellen sich unserem Voyeurismus in ihren Aktionen scheinbar bereitwillig zur Verfügung, bis man dann bemerkt, dass sie es sind, die unsere Blicke dirigieren.
Das Verhältnis zwischen Künstlern und Publikum ist bei keiner der Tanzwochen in NRW so intim und selbstverständlich, wie im Theater im Ballsaal. Auch in diesem Jahr rücken die Besucher nahe an das Geschehen heran. Die Gespräche mit den Künstlern eröffnen jedem Interessierten die Chance, tiefen Einblick in die Arbeits- und Denkprozesse der Tänzer zu gewinnen.
Tanzfestival „Into the fields“ | 4.-18.2. | Theater im Ballsaal | www.into-the-fields.de
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