Dass die Musical-Liebhaber ein reiselustiges Völkchen sind, davon zeugen nicht nur die vielen Pauschal-Angebote diverser Reiseveranstalter zu den Musical-Domen dieser Republik. Im Sommer kommen die seit Jahren boomenden Open-Air-Veranstaltungen dazu, die in stimmungsvoller Umgebung Musicals für die Ferien-Freizeit anbieten. Oft dargeboten von engagierten Laien-Ensembles, die unter professioneller Anleitung dann zu einer Höchstform auflaufen, von der sich manche subventionierte, städtische Bühne eine Scheibe abschneiden könnte.
Beginnen wir unsere Musical-Tour in einer der schönsten Freilichtbühnen Deutschlands, in Tecklenburg, wo für die ganze Familie Andrew Lloyd Webbers respektlos-verspielte Bibel-Interpretation um Jakobs Sohn Joseph, der von seinen bösen Brüdern nach Ägypten verkauft wird und dort am Hofe des Pharao zum allseits geachteten Traumdeuter aufsteigt, für gute Stimmung sorgt: „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“. Etwas düsterer geht es da im „Erwachsenen“-Musical „Sunset Boulevard“ aus der Feder desselben Komponisten zu. Das nach der gleichnamigen Hollywood-Satire von Billy Wilder entstandene Musical erzählt von der einst gefeierten Stummfilmdiva Norma Desmond, die – besessen von dem Wunsch nach einem Comeback – einen mittellosen, jungen Drehbuchautor an sich bindet, der zunächst ihre Selbsttäuschungen unterstützt, sich dann aber von ihr löst und daraufhin von Norma erschossen wird. Nicht zuletzt durch die geniale Interpretation der Hauptrolle durch den Hollywood-Star Glenn Close bekam das Musical bei seiner US-Premiere in Los Angeles gewaltigen Auftrieb, der ihm hierzulande sogar ein eigenes Musical-Theater in Niedernhausen bescherte.
Ein Star des englischen „free cinema“ war es auch, der in der Titelrolle von Webbers „Das Phantom der Oper“ 1986 eine zweite Karriere startete: Michael Crawford. Eine erste Gelegenheit sich im Genre zu üben, gab ihm allerdings schon Richard Lester 1965 in seiner Verfilmung von Stephen Sondheims Musical „Toll trieben es die alten Römer“, das jetzt auf der heimeligen Waldbühne Kloster Oesede in Georgsmarienhütte seine turbulenten Liebes- und Verwechslungsgeschichten um eine schöne Sklavin, einen jungen Helden, einen cholerischen Feldherrn und einen verkalkten Patriarchen zu einer hinreißenden Parodie auf das Genre der „Sandalenfilme“ werden lässt.
Auf der Freilichtbühne Coesfeld schließlich steht eines der wenigen deutschen Musicals auf dem Programm, dass sich seit seiner Erstaufführung 1997 auf den Spielplänen der hiesigen (Open-Air-)Bühnen hält: „Elixier“. Das von Tobias Künzel und Wolfgang Lenk (Die Prinzen) komponierte und von Kati Naumann geschriebene Musical erzählt von dem DDR-Chemiestudenten David, der das von ihm entwickelte, ewige Jugend und Schönheit versprechende Elixier an sich und seiner Freundin Betty testet. 20 Jahre später – die Mauer ist inzwischen gefallen – treffen sie sich wieder...
Mehr sei nicht verraten über diese bittersüße Liebesgeschichte aus Bitterfeld, die neben guter Unterhaltung auch, wie „Sunset Boulevard“, ernste Themen anspricht.
„Sunset Boulevard“ und „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ | Freilichtspiele Tecklenburg | www.buehne-tecklenburg.de
„Zustände wie im alten Rom“ | Waldbühne Kloster Oesede | Georgsmarienhütte | www.waldbuehne-kloster-oesede.de
„Elixier“ | Freilichtbühne Coesfeld | freilichtbuehne-coesfeld.de
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