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Yella

Yella
D 2007, Laufzeit: 88 Min., FSK 12
Regie: Christian Petzold
Darsteller: Nina Hoss, Devid Striesow, Hinnerk Schönemann, Burghart Klaußner, Barbara Auer, Christian Redl, Selin Barbara Petzold, Wanja Mues, Michael Wittenborn, Martin Brambach, Joachim Nimtz, Peter Benedict,

Christian Petzold bedient sich für seinen neuen Film zweier sehr unterschiedlicher Vorlagen: Zum einen zitiert er maßgeblich den außergewöhnlichen Horrorfilmklassiker "Carnival of Souls" von Herk Harvey aus dem Jahr 1962. Zum anderen orientiert er sich an den Ergebnissen von Harun Farockis Dokumentarfilm "Nicht ohne Risiko" von 2004, der sich dem Risikokapital widmet. Wie geht so was zusammen? Bei Petzold wird eine unzertrennliche Einheit daraus.
Wenn man den neuen Film von Christian Petzold sieht, mit seiner Genauigkeit der Beobachtung, seiner Klarheit der Bilder, aber auch deren Poesie, gewinnt man den Glauben zurück an die Vorstellung, dass Kino nicht nur mehr oder weniger gut gemachte Unterhaltung sein kann oder gut gemeinte Kritik, sondern auch eine ganz genaue, analytische, darstellende Kunst. Die unterhaltende Grundlage, den Rahmen, leiht sich Petzold bei Herk Harveys Gruselklassiker, der von der sozialen und emotionalen Isolation der Hauptfigur von der lebendigen Welt erzählt. Viel mehr kann man nicht verraten, ohne den Filmgenuss zu schmälern. Aanalog bricht Yella, von Nina Hoss voller Irritation gespielt, aus ihrem emotional und ökonomisch gescheiterten Leben auf in ein neues, ganz anderes Leben. In dieser Welt aus Geschäftmännern, verglasten Büros, Werbegebieten und Motels trifft sie auf Philipp (Devid Striesow wieder einmal in Höchstform). Der wirkt ebenso selbstsicher wie geheimnisvoll undurchsichtig und ist außerdem noch sehr charmant. Da sich ihr Jobangebot zerschlagen hat - als sie ihre Arbeit antreten will, werden die Büros gerade vom Fiskus durchsucht - kommt ihr Philipps Angebot, ihn bei Verhandlungen zu begleiten, gerade recht. Am Rande von Macht und Moral Auftritt Harun Farocki, der im Übrigen regelmäßig an Petzolds Drehbüchern direkt beteiligt ist: Der Satz eines Verhandlungspartners "Wir sind ein bisschen enttäuscht über das Angebot" ist 1:1 aus Farockis Film "Nicht ohne Risiko" übernommen. Dort beobachtet er das Taktieren und das Kalkül in der Finanzwelt an Hand einer Verhandlung zwischen einer in Bedrängnis geratenen Firma ohne Sicherheit und Kapital und einer Kredit gebenden, so genannten Venture Capital Gesellschaft, die solche Risikokapital-Geschäfte mit Zinsen bis zu 40 Prozent abwickelt. Das Gebaren der Verhandlungspartner ist oft wie eine raffinierte Inszenierung geplant. Diesen Aspekt bildet Petzold in den Verhandlungen von Philipp und Yella genau nach. Yella fasziniert das Spiel, auch oder gerade weil sie schnell merkt, dass hier nicht nur um viel Geld gepokert wird, sondern Philipp neben sportlichem Ergeiz auch kriminelle Energie mit einbringt. Im Gegensatz zu dem Ort, den sie verlassen hat, ist hier viel in Bewegung. Yella lernt das Spiel schnell. Und sie lernt es gut. Bald geht sie weiter als Philipp, mit dem sie inzwischen eine vage Liebe verbindet. Aber mit ihrem Spiel geht sie zu weit und löst eine Katastrophe aus. Man könnte meinen, Christian Petzold klaut sich durch zwei Filme hindurch. Doch die Verbindung, die er durch die Amalgamierung der beiden so unterschiedlichen Vorlagen herstellt, ist nicht nur gewagt, sondern erscheint einem trotz der vordergründigen Unvereinbarkeit schnell als logisch zwingend. Yella ist in der neuen Umgebung ein Fremdkörper, der wie ein Geist durch die ebenso unwirklich spielerischen Szenarien schwebt. Richtigen Halt gewinnt sie in dieser Welt nicht. Es gibt ebenso Momente, in denen sie regelrecht übersehen wird, wie es Augenblicke gibt, in denen sie mit ihrer Wahrnehmung aus dieser Welt zu fallen scheint. Im Gegenzug holt sie ihre alte Welt immer wieder in Visionen ein. Sie hängt irgendwo zwischen dieser mit Hilfe von Farockis Film genauestens beschriebenen abstrakten Finanzwelt der Machtspiele, der Kälte und des Kalküls und der ganz konkreten Enttäuschung einer Ehe und einer gescheiterten Geschäftsidee. Wie schnell dann auch die abstrakte Glashaus-Welt des Finanzwesens als hohle Blase einstürzen kann, konnte man gerade wieder an der Krise der Hypothekenbanken in den USA sehen. Auch da überfällt viele das Gruseln.

Berlinale 2007: Silberner Bär für Nina Hoss

(Christian Meyer)

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