Als sich 1970 zum ersten Mal im Wuppertaler Theater der Vorhang für Frank Loessers Broadway-Klassiker „Guys and Dolls“ hob, schallte es schon nach wenigen Minuten aus dem Zuschauerraum: „Raus aus unserem Opernhaus“. Wohl nicht, weil der etwas uncharmante deutsche Titel „Schwere Jungs und leichte Mädchen“ sich auf der Bühne allzu freizügig bewahrheitet hätte. Nein, es waren die schrägen Töne der das Stück eröffnenden Tanz-Pantomime „Runyonland“, die nicht wenige aus dem Saal trieben. Mittlerweile gehört das Musical zum Standard-Repertoire unserer Bühnen. Und so wagte sich jetzt auch das Theater Bielefeld an dieses nicht leicht zu stemmende, amerikanischste aller Musicals. Im intelligent die Formen und Farben des Konstruktivismus aufgreifenden Bühnenbild von Gary McCann erweckt die einfallsreiche Inszenierung von Struan Leslie die Figuren aus Damon Runyons Kurzgeschichten zum prallen Leben: den Spieler Sky Masterson (Alexander Franzen), der wettet, das Herz der prüden Heilsarmee-Schwester Sarah (Cornelie Isenbürger) zu erobern, seinen seit 14 Jahren mit der Bar- Tänzerin Adelaide (Carolin Soyka) verlobten Kontrahenten Nathan Detroit (Thomas Winter) und all die Ganoven und ihre Widersacher im New York der 20er Jahre. Nur als Choreograph muss Leslie zwangsweise scheitern, fehlt ihm doch das nötige (Ballett-)Personal, um die Tanz-Nummern auch als solche aussehen zu lassen. Dafür sprüht die Darsteller-Riege vor Spiellust und trifft auch den (Musical-)Ton, auch wenn Cornelie ihren glasklaren Sopran vielleicht ein wenig zügeln sollte, was sie in dem jazzigen „If I were a Bell“ durchaus versteht. Diesen Verve erreicht auch das 7köpfige Orchester unter dem Dirigat von William Ward Murta, das alle Facetten von Loessers eklektizistischer Musik von Fuge über Kanon, Choral, Ballade und Gospelsong im wahrsten Sinne des Wortes zum „swingen“ bringt. „Swingen“ tut es auch im Orchestergraben des Krefelder Theaters, wo Willi Haselbeck und seine großartige Band zu einem makabren Tanz aufspielen. „Swinging St. Pauli“ – eines der wenigen deutschsprachigen Musicals, das durchaus mit seinen angelsächsischen Verwandten mithalten kann – spielt nämlich im Jahr 1941, als „Neger“-Jazz hierzulande verpönt war. Deshalb kontrollieren die Nazis auch immer öfter „Leo´s Bar“ auf der Reeperbahn, wo sich eine Handvoll junger Leute regelmäßig zum Tanzen trifft. Als Leo eines Tages der Jüdin Emma Unterschlupf gewährt und sich einer der jungen Männer in sie verliebt, ist das Drama vorprogrammiert. Im stimmungsvoll-minimalistisch aus Getränkekisten entworfenen Bühnenbild von Günter Hellweg hält die Inszenierung von Reinhardt Friese genial die Balance zwischen Ernst und Unterhaltung. Die fetzige Musik von Martin Lingnau hätte auch am Broadway entstehen können, und die jungen Darsteller um den charismatischen Tobias Wessler (Leo) spielen und tanzen mit einer Frische, als hätten sie ihr Musical-Talent mit der Muttermilch eingesogen.
„Guys and Dolls“: 7./21.2./19.3. im Theater Bielefeld I 0521 51 54 54
„Swinging St. Pauli“: 12./21./24.2/ 7./12./22.3. im TaZ Krefeld I 02151 80 51 25
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