An den städtischen Theatern hierzulande ist Sommerpause. Nur die privaten Musical-Event-Tempel locken die Urlauber und Daheimgebliebenen. Also auf nach Wien, das ja auch kulinarisch, architektonisch und museumsmäßig immer eine Reise wert ist. Seit dem Ende der Fußball-EM auch wegen einer deutschsprachigen Erstaufführung im mit Millionenaufwand auf (technisches) Broadway-Niveau renovierten „Ronacher“-Theater. Offensichtlich hatten die für ihren schrägen Humor bekannten Österreicher weniger Berührungsängste mit einem sich geradezu schamlos über jedes Tabu hinwegsetzenden Musical als ihre deutschen Theater- und Produzenten- Kollegen. Und tatsächlich spürt man im Publikum das Atemanhalten, wenn ein schwuler Hitler die Showtreppe hinuntertänzelt und Dialoge wie „Das Publikum war nett, alles Juden im Parkett“ fallen. Diese Provokationen kann sich nur einer erlauben, der wegen seines bizarr-bösen Humors schon längst „Narrenfreiheit“ genießt : der jüdisch-amerikanische Autor, Schauspieler, Regisseur (u.a. „Frankenstein jr.“) und Komponist Mel Brooks. Sein 1968 mit dem Drehbuch-Oscar ausgezeichnetes Spielfilm-Debüt „The Producers“ diente ihm als Vorlage für sein gleichnamiges Musical, mit dem er die goldenen Broadway- Zeiten wieder heraufbeschwört: Der vor dem Ruin stehende Broadway- Produzent Max Bialystock und sein Buchhalter Leo Blum versuchen, durch einen akribisch geplanten Flop zu Geld zu kommen. Zuerst kaufen sie das schlechteste Stück der Welt („Frühling für Hitler“). Dann luchst Max seinen liebestollen Investorinnen aus dem Altersheim mit dem Versprechen romantischer Schäferstündchen die letzten Ersparnisse ab. Schließlich verpflichten sie einen untalentierten, schwulen Regisseur und geben ihrer schwedischen Sekretärin Ulla eine Hauptrolle. Was soll jetzt noch schief gehen ...?! Susan Stroman, die das Stück schon am Broadway inszeniert und choreographiert hat, hat mit ihrem Kreativ-Team die deutschsprachige Darsteller-Riege auf Broadway-Qualität getrimmt. Das gilt auch für Bühnenbild, Kostüme und Licht-Design. Und – man höre und staune: Endlich mal versteht man die Liedtexte, weil das mit pfiffigen Arrangements aufspielende Orchester kongenial mit der Ton-Regie harmoniert. Natürlich steht und fällt das Stück mit den beiden Hauptdarstellern. Burgschauspieler Cornelius Bonya (Max) wiedersteht dabei geschickt der Versuchung, die in der Rolle angelegte „Rampensau“ hervorzukehren. Dafür entdeckt er bei sich eine ihm bisher unbekannte Tugend: Er kann wirklich singen . Andreas Bieber (Leo) kann ihm durchaus Paroli bieten – und zusammen mit der wunderbar naiv-ironisch das Blondchen Ulla spielenden Bettina Mönch zeigt er auch tänzerisches Talent. Fazit: „The Producers“ könnte auch hierzulande das Event-Musical müde Publikum wieder für Amerikas ureigenstes Genre begeistern.
Ronacher-Theater, Seilerstätte 9, Wien bis 14.8 und dann ab 4.9. täglich (außer Mi) 19.30 Uhr, www.musicalvienna.at
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