Als 1977 die Programmkino-Landschaft noch in Ordnung war, mischte im Kölner „Unicenter“-Kino ein Film die Szene auf, der von den Mainstream- Verleihern schon als Flop abgeschrieben war: Die Verfilmung des 1973 uraufgeführten Musicals „The Rocky Horror Show“. Die Vorstellungen der bizarren Parodie auf Horror-, Musical- und Science-Fiction-Filme wurden zum Happening: das Publikum kam in Strapsen, war „bewaffnet“ mit Reis, Wasserpistolen und Klopapier, um alles „auf Stichwort“ einzusetzen. Nach diesem „Vorlauf“ eroberte die in London mittlerweile zum Kult-Musical aufgestiegene „Rocky Horror Show“ (2.960 Vorstellungen en Suite) auch die deutschen Bühnen. Nur in Köln hat sich bis heute kein Theater an eine eigene Inszenierung gewagt, obwohl die Stadt vor Zielpublikum nur so überquillt.
Glücklicherweise ignorieren die meisten NRW-Theater das Genre nicht so sträflich. So kann man jetzt in Krefeld, das sich zu einer weit über die regionalen Grenzen hinaus strahlenden Hochburg des Musicals entwickelt hat, wieder einmal die „Rocky Horror Show“ genießen. Der neue Intendant der Krefeld-Mönchengladbacher Bühnen, Michael Grosse, hat noch nicht jenes glückliche Händchen, dass sein Vorgänger bei der Auswahl der Regisseure und Schauspieler hatte, sodass sich in den zur Zeit laufenden Musicals „Me and my Girl“ (Regie: Georg Köhl) und „Rocky Horror Show“ (Regie:Frank Matthus) doch einige Geschmacksunsicherheiten eingeschlichen haben. Sind es bei dem einen die allzu zeitgeistige Dialog-Überarbeitung, ist es bei der „Rocky Horror Show“ eine nicht gerade familienfreundliche Inszenierung der erotischen Schattenspiele, wenn Frank´n´Furter Janet und Brad verführt.
Abgesehen von diesem Missgriff braucht Matthus‘ Inszenierung auch etwas Anlaufzeit, um jene „Temperatur“ zu erreichen, die das Publikum dann letztendlich mitreißt. Das liegt vor allem an dem wenig charismatischen Auftritt der beiden Verlobten Janet (Felicitas Breest) und Brad (Ronny Tomiska) in der Eröffnungsszene, als sie nach einer Autopanne am Schlosstor des Transvestiten-Fürsten Frank´n´Furter klingeln. Vor allem Felicitas Breests dünnes Stimmchen will einfach nicht über die Bühnenrampe kommen. Immerhin ist sie hübsch anzusehen, was einen dann bis zum Auftritt des Straps-gewandeten Adrian Linke (Frank´n´Furter) bei der Stange hält. Linke beherrscht fortan die von Johanna Maria Burkhart stimmungsvoll gestaltete „Horror-Atmosphäre“, in der der lüsterne Transvestit seinem Namen mit der Erschaffung von „Rocky“ und dem Verspeisen des Rockers Eddie alle Ehre macht.
Der Erzähler (sonorig: Matthias Oelrich) fungiert als Mittler zwischen Publikum und Bühnen-Geschehen, streut wie beiläufig die Mitmach-Codes. Und so sieht sich so mancher ehrwürdige Abonnent plötzlich von Klopapier umkränzt und mit Reis im Haar im Regen stehen. Gut gelaunt verlässt man das schrille Travestie-Spektakel und ärgert sich vielleicht nur, dass man vorher nicht im Supermarkt vorbeigegangen ist, um die „Rocky“-Utensilien einzukaufen.
www.theater-krefeld.de
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