Das für seine innovativen Musical-Produktionen bekannte MIR – man denke nur an die großartige, von Regisseur Peter Hailer in die 60er Jahre verlegte „My Fair Lady“-Inszenierung – wagt sich diesmal an eine deutsche Erstaufführung. Das 2000 in London uraufgeführte „Die Hexen von Eastwick“ basiert auf einem Bestseller von John Updike, der 1986 mit Jack Nicholson, Susan Sarandon, Cher und Michelle Pfeiffer verfilmt wurde. Während das Libretto von John Dempsey geschickt Roman-Struktur und Musical-Dramaturgie zu einer Einheit verbindet, offenbaren Dana P. Rowes Kompositionen die Krise des amerikanischen Musicals. Man geht zwar gut unterhalten aus vielen Shows, doch nicht mit einem einzigen Song auf den Lippen. So bleibt auch von dieser Aufführung vor allem Gil Mehmerts präzis getimte Inszenierung und das stimmungsvolle Bühnenbild von Heike Meixner, dass Fufu Frauenwahl kongenial mit computeranimierten Hintergründen ergänzt, im Gedächtnis. Und natürlich auch die drei Hexen (Jeanette Claßen, Stefanie Dietrich, Anke Sieloff), die in einem bigotten amerikanischen Provinznest dem Teufel (Kristian Vetter) verfallen. Er befreit sie von ihren Neurosen, wird aber letztlich selbst Opfer der von ihm losgetretenen Emanzipation. Das schräge Quartett überzeugt sowohl stimmlich wie mimisch, was man von der Technik des Hauses nicht gerade behaupten kann. Wenn man den Ruf als eines der besten deutschen Musical-Bühnen festigen will, dann sollte die Stadt doch mal in eine adäquate Lautsprecheranlage investieren – und einen Ton-Techniker einstellen, der nicht meint, ein Rock-Konzert abmischen zu müssen, sondern Wert darauf legt, dass man die (nicht unwichtigen) Liedtexte auch versteht.
Kein Problem mit der Akustik hat man im kleinen, aber feinen Wuppertaler TiC-Theater, wo der Musikalische Leiter Stefan Hüfner seine auf Band aufgenommenen Arrangements präzise den Sangeskünsten der (Laien-)Schauspieler angepasst hat. Einer, der hier seine ersten Bühnen-Erfahrungen gesammelt hat und mittlerweile zu Deutschlands Musical-Stars gehört, ist zum zweiten Mal als Regisseur zurückgekehrt. Nach „Der kleine Horrorladen“ hat Patrick Stanke nun das Hippie-Flower-Power-Musical „Hair“ inszeniert. Würde das legendäre Rock-Musical, das 1967 am Off-Broadway aus der Taufe gehoben wurde, den Erinnerungen standhalten, die man mit dieser revolutionären Zeit verbindet? Oder ist der einstige Publikums-Schocker heute nur noch ein nostalgisches Epochen-Souvenir? Um es vorwegzunehmen: Dem TiC gelang es, eine Produktion auf die Beine zu stellen, die die Fahrt ins Oberbergische lohnt. Vor allem weil Stanke es verstanden hat, die Energie des auf über 20 Personen ausgelegten Stückes auf sein auf neun Personen eingedampftes Ensemble zu übertragen. Den schauspielerisch wie gesanglich weitgehend überzeugenden Darstellern gelingt dabei der Spagat zwischen Unterhaltung und Gesellschaftskritik, wenn auch die Charakterisierung der Figuren bisweilen ein wenig flach ausfällt. Dafür reißt einen auch heute noch die kraftvolle Partitur von Galt MacDermot mit ihren Ohrwürmern (u.a. „Good Morning Starshine“, „Let the Sunshine in“ ) von den Sitzen.
„Die Hexen von Eastwick“ I MiR GE I www.musiktheater-im-revier.de
„Hair“ I TiC Wuppertal I www.tic-theater.de
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