Ich war schon neugierig auf die Wiederaufnahme der Kölner „My Fair Lady“-Inszenierung aus dem Jahre 2012 im Opern-Ausweichquartier Staatenhaus. Ging ihr doch der Ruf eines großen Erfolges im Oman (!) voraus, wo man sie mit (fast) neuer Besetzung und in der englischen Originalfassung aufgeführt hatte.
Warum sollte dem Musical nicht recht sein, was in der Oper schon lange gang und gebe ist? Doch leider hat man die Idee nicht konsequent zu Ende gedacht und statt angelsächsischer Musical-Darsteller lediglich muttersprachliche Opernsänger verpflichtet. Die beherrschen nun zwar die Klangschattierungen zwischen reinem Oxford-Englisch und Cockney-Dialekt – aber wenn‘s ans Singen, Tanzen und Bewegen geht, wähnt man sich doch eher in einer vorgestrigen Opern-Inszenierung.
Schon technisch zeigt sich das Staatenhaus nicht gerüstet für eine Musical-Aufführung: Die (deutschen) „Obertitel“ sind seitlich angebracht, so hat man die Qual der Wahl zwischen lesen und sehen. Das Orchester (rechts neben der Bühne!) und der Chor werden nicht elektronisch unterstützt, weshalb Frederic Loewes mitreißende Melodien eher wie laue Lüftchen daherkommen. Regisseur Dietrich W. Hilsdorfs Unfähigkeit, Inszenierung, Bühnenbild und Choreografie zu einem tragfähigen Konzept zu verbinden, wurde nicht korrigiert. Und so traben Suffragetten wie Zirkuspferde über die Bühne und komplettiert eine Transe die erlauchte Ascot-Rennplatz-Gesellschaft. Ob das im Oman gut angekommen ist? Es wirkt genauso daneben, wie die an Kindergeburtstags-Ringelreihen erinnernde Choreografie vonGiorgio Madiasund der über die Bühne tapsende Opern-Chor, der bei der Ballszene auch schon mal den Tanzpartner sucht. Wofür bilden unsere Musical-Akademien eigentlich jährlich Studenten aus, wenn nicht mal unsere Städtischen Theater ihnen eine Chance geben. Umso ärgerlicher, wenn man trotzdem Preise wie in den kommerziellen Musical-Palästen verlangt. Da sehe ich mir doch lieber eine halbprofessionelle „My Fair Lady“-Aufführung im Wuppertaler TiC-Theater an. Die zeugt wenigstens von mehr Liebe zum Genre.
Auch ans Aachener Grenzlandtheater trieb mich die Neugierde. Wie schafft es Regisseur Ulrich Wiggers bloß – der übrigens damals in Köln den Professor Higgins spielte – ein Ausstattungs-Musical wie „Hello Dolly!“ auf die schmale Bühne eines „Zimmertheaters“ zu transferieren? Die überraschende und staunenswerte Antwort gibt er mit seinem kongenialen Bühnenbildner Matthias Winkler, der die ganze Bühnenbreite mit einer Stretchlimousine füllt, aus deren Türen die Darsteller rein- und rausklettern und auf deren Dach Damian Omansens fünfköpfige Band swingt.
Wiggers hat die Handlung von der vorletzten Jahrhundertwende in die 60er Jahre verlegt, seine Kostümbildnerin Noelie Verdier hat Dolly (Broadway-reif: Juliane Dreyer) wie eine taffe Geschäftsfrau eingekleidet – und das ausgelassen aufspielende und von Choreografin Marga Render in Stepplaune versetzte Ensemble beschert uns einen Musical-Abend, für den man sich am liebsten eine Dauerkarte kaufen würde.
„My Fair Lady“ | 29.12., 2.1., 16.1., 19.1. 19.30 Uhr, 31.12., 10.1. 18 Uhr | Oper Köln, Staatenhaus | 0221 22 12 84 00
„Hello Dolly!“ | tägl. bis 3.2. | Grenzlandtheater, Aachen + Region | www.grenzlandtheater.de
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