choices: Frau Wolfram, hat sich die hiesige Vegetation verändert?
Deva Wolfram: Pflanzen arrangieren sich mit ihrer Umwelt. Da es in Europa mit dem globalen Klimawandel wärmer geworden ist, wandern viele sogenannte Neophyten bei uns ein, Pflanzen, die bisher in Mittelmeerländern und jenseits davon wuchsen. Darunter Schneckenklees, bestimmte Gräser und viele Distelarten. In Thüringen werden jetzt Artischocken angepflanzt, das ging früher nicht. Im Rheinland wachsen inzwischen Palmen.
Neue Pflanzen sind nicht immer gern gesehen.
Es gibt sogenannte invasive Pflanzen, die andere Pflanzen verdrängen. Der Riesenbärenklau zum Beispiel, der schön aussieht, aber sehr giftig ist. Gegen seine Ausbreitung haben sich sogar Bürgerinitiativen organisiert. Ich sehe das eher kritisch. Zum einen, weil es auch hier viele giftige Pflanzen gibt, zum anderen, weil es keine sogenannten bösen Pflanzen gibt.
Die Wirkung der Heimischen ist vielleicht besser bekannt.
Was Sie heimisch nennen, ist ja auch irgendwann mal hierher gekommen. Wir müssen in längeren Zeiträumen denken. Weil die letzte Eiszeit bis an die Alpen heranreichte, gibt es diesseits der Alpen nur ein Viertel der Pflanzenarten pro Quadratmeter, die es im Mittelmeerraum gibt. Die Kultivierung Germaniens bedeutete erst einmal, dass die dortigen Wälder abgeholzt werden mussten. Inzwischen wissen wir, dass damit auch das Entstehen einer neuen Flora verbunden ist. Bestimmte Pflanzenarten sind überhaupt erst im kulturellen Umfeld des Menschen entstanden. Man hat jetzt zum Beispiel herausgefunden, dass das Glaskraut in der Stadt Rom entstanden ist. Glaskraut, weil man damit Glas besser reinigen kann als mit Pril. Solche Pflanzen sind unsere Kulturbegleiter wie Hund und Katze.
Wie sind Sie zu Ihrem Thema gekommen?
Über Tschernobyl. Bis dahin habe ich mich als Stadtmensch und als Allergikerin möglichst von Natur fern gehalten. Als ich mit dem Fallout der Reaktorkatastrophe konfrontiert war, hatte ich null Ahnung von all dem. Das holte ich zunächst als Künstlerin und in der Beschäftigung mit der Rolle von Natur und Klima in der Kunstgeschichte nach. Seit der Romantik werden Wetter und Seelenzuständen ja miteinander verglichen. Später habe ich dann in Florenz Botanik studiert.
Sie beschäftigen sich vor allem mit Wildpflanzen?
Früher sprach man von Unkraut. Ich frage mich, wie kann ich mich diesem merkwürdigen Teil unseres Lebens, der sich Natur nennt, annähern und Dinge ohne viel Worte anschaulich machen. Pflanzen ernähren uns nicht nur, sie produzieren auch die Luft zum Atmen. Wir hängen vollständig von ihnen ab. Wildpflanzen sind dabei so anarchisch wie Künstler. Die Wissenschaft kann sie nicht recht fassen. Sie lassen sich nicht in Beete zwängen und wachsen manchmal auf dem Dach. Und es sind unsere entfernten Verwandten. Wir haben mit ihnen 60 Prozent der Gene gemein.
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