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Foto: Mira Moroz

Nein zum Prostitutionsgesetz

31. Oktober 2013

Sabine Constabel kritisiert den Umgang der Politik mit Sexarbeit – Thema 11/13 Kauflust

choices: Frau Constabel, der aktuellen Entwurf des Prostitutionsgesetzes will Prostitution über den Gewerbeschein transparenter machen. Teilen Sie diese Hoffnung?

Sabine Constabel: Ich teile diese Hoffnung nicht, weil zumindest in der letzten Gesetzesinitiative ein Vorschlag drin war, dass nur die großen Häuser aufgenommen werden und private Wohnungen ausgenommen sind. Aber Prostitution findet überwiegend in Privatwohnungen statt. Man kann sich also ausrechnen, dass nach der Gesetzesreform z.B. Menschenhändler ihre Frauen nur in die privaten Wohnungen schicken. Gleichzeitig unterscheidet man so in gute und schlechte Bordelle. Da wird ein Signal gesendet an die Freier, dass die guten Bordelle okay sind. Damit wird Prostitution weiter verharmlost. Einer 18-Jährigen ist egal, ob der Puffbetreiber eine Konzession hat oder nicht.

Wie ist denn die Lebenslage der Frauen, mit den sie zu tun haben?

Die Armutsprostituierten machen das große Feld der Prostitution aus. Das sind junge Frauen, zumeist ohne Vorerfahrungen, die aus den osteuropäischen, neuen EU-Ländern hier her geschickt werden. Diese machen über 80% der Prostituierten aus und sie haben sich nicht entschieden, Prostituierte zu werden, sondern die Familie hat entschieden, dass sie Geld brauchen. Die einfachste Möglichkeit ist, jemanden nach Deutschland zu schicken. Viele sind Analphabetinnen, kommen aus Roma-Verbänden oder von den türkischen Minderheiten – beides sind ausgegrenzte Gruppen im Herkunftsland. Sie sind völlig orientierungslos.

In der Öffentlichkeit dominiert aber das Bild der sehr dominanten, professionellen Althure. Wie akkurat ist das?

Sabine Constabel
Foto: privat
Sabine Constabel arbeitet in der Beratungsstelle für Prostituierte im Gesundheitsamt Stuttgart und leitet eine Anlaufstelle für Prostituierte.

Das ist dann eine von den 20% und da ist es die absolute Randgruppe. Die meisten Prostituierten sagen, wenn mein Mann oder mein Bruder wieder Arbeit hat, dann höre ich auf. Die haben kein professionelles Berufsverständnis und wissen teils auch nur wenig über Sexualität. Das macht es schwer, sich gegen die Freier und ihre Wünsche zu wehren. Was die Frauen erzählen, was die Freier mit ihnen machen wollen, das ist jenseits ihrer Vorstellungskraft. Das wussten die gar nicht, dass es sowas gibt. Die Frauen erleben die erste Zeit in der Prostitution als extrem traumatisierend, sie entwickeln auch keine Strategien für den Umgang mit den Freiern, z.B. Gleitgel zu benutzen oder auf Kondome zu bestehen. Wir haben dort ein hohes Infektionsrisiko. Gleichzeitig können diese Frauen zwar hier arbeiten, kommen aber nicht in die deutschen Sozialsysteme, sie können weder ein Jobcenter aufsuchen, noch eine Therapie in Anspruch nehmen.

In der öffentlichen Diskussion wird im Moment immer wieder der Begriff der „Sexarbeit“ gebraucht. Damit soll angedeutet werden, dass es sich bei Prostitution um Arbeit handelt, bei der bestimmte Rechte eingefordert werden können.
Was denken Sie, nützt das einer 18-jährigen Bulgarin? Viele sagen, Prostitution ist Gewalt, nicht nur Osteuropäerinnen. Auch viele der Profis erleben das genau so. Von denen habe ich Sprüche gehört wie „Der Schwanz berührt die Seele.“ Viele haben ja Vorerfahrungen, die da entscheidend waren. Die sagen: „Ich mach das, aber meine Tochter soll es bitte nicht machen.“ Prostitution ist eben keine Erwerbsarbeit wie jede andere auch.

Welche politischen Initiativen helfen denn diesen Frauen konkret?
Mit dem Prostitutionsgesetz von 2002 haben wir den liberalsten Markt für die Erotikindustrie geschaffen, den es gibt. Die Strategie kann nur sein, diesen Markt wieder zu schließen. Das schwedische Modell, nach dem der Kauf von Frauen verboten ist, sollte da ein Vorbild sein. Das sollten wir uns als Gesellschaft, die auf die Gleichberechtigung der Geschlechter setzt, wert sein. In Schweden ist die Selbstverständlichkeit, mit der Männer Frauen zur sexuellen Benutzung kaufen können, verschwunden. Das ist ein ganz großer Gewinn, auch für die Männer und die Jungs, die jetzt 18 sind, und damit aufgewachsen sind, dass man für 20 Euro sich eine Frau zum Vögeln kaufen kann. Und das ist nichts, was Jungs gut tut. Ich wünsche schon jungen Männern, dass sie sexuelle Erfahrungen machen, aber auch dass sie Sexualität anders kennenlernen als mit Prostitution.

INTERVIEW: CHRISTIAN WERTHSCHULTE

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