Wenn sich schon, durch einen dünnen Handlungsfaden mühsam zusammengehaltene Kompilations-Shows wie „Mamma Mia!“ oder „Jersey Boys“ als Musicals bezeichnen, dann kann man das wohl auch der minimalistischsten Form des Genres zubilligen. Wie jetzt dem aus Bulgarien stammenden Pantomimen Peter Mim, der gerade mit einer Hommage an sein großes Vorbild Charlie Chaplin durch die Lande zieht.
Während aus den Lautsprechern des Bauturm-Theaters in Köln die bekanntesten Melodien aus Chaplins Filmen zu hören sind, erweckt Mim den unsterblichsten aller Clowns zum Leben: Wenn er mit den schwarz geschminkten Augen unter dem runden Hütchen, dem schwarz gewichsten Schnurrbart, den übergroßen Schuhen und den viel zu weiten Hosen, sein Spazierstöckchen schwingend, die Bühne betritt – dann fühlt man sich sogleich zurückversetzt in jene Jahre, als die Bilder laufen lernten und noch nicht der (zotigen) Sprache bedurften, um uns vor Vergnügen auf die Schenkel klopfen zu lassen. Mim lässt noch einmal die berühmtesten Szenen aus Chaplins Filmen Revue passieren: den Kampf mit den Schraubenschlüsseln in „Moderne Zeiten“, das „Festmahl“ aus Schuhsohle und Schnürsenkel in „Goldrausch“ oder Hynkels alias Hitlers Tanz mit dem Globus in „Der große Diktator“. Und als er Zuschauer in seine urkomischen, aber auch nachdenklich stimmenden, perfekt ausgearbeiteten Pantomimen mit einbezieht, sie im wahrsten Sinne des Wortes einseift oder ihnen sein (Luftballon-)Herz schenkt – dann möchte man noch stundenlang diesem würdigen Nachfolger Charlie Chaplins und Marcel Marceaus zuschauen.
Dieses Gefühl hat man auch nach dem Abend im gegenüberliegenden Millowitsch-Theater, wo Hanna Schygulla im Rahmen des Sommerfestivals ihre musikalische Biographie „Aus meinem Leben“ präsentierte. Sofort hat sie das Publikum im Griff, als sie aus dem Dunkel heraus Eichendorffs Gedicht „Es schläft ein Lied in allen Dingen“ rezitiert – und dann mit ihrer etwas voluminöser gewordenen Figur, ihrem immer noch kindlich-aufgewecktem Gesicht ins Bühnenlicht tritt. „Meine Oma ist dick, weil sie voller Liebe ist“, erinnert sie sich – und zwinkert selbstironisch dem Publikum zu. Erinnerungen an die ersten Kinderlieder setzt sie mit ihrem kongenialen Begleiter am Flügel, Stephan Kanyar, sogleich musikalisch um. Wobei es nicht nur die gängigen Volkslieder wie „Maikäfer flieg!“ und „Hoch auf dem gelben Wagen“ sind, die sie so singt, wie man sie noch nie gehört hat. Während ihrer berührenden Interpretation von Mahlers Totenlied für Kinder („Oft denk ich, sie sind nur ausgegangen“) konnte man die legendäre Stecknadel fallen hören. Dann haucht sie Gershwins „Summertime“ zum Niederknien ins Mikrofon und löst mit „Rock Around the Clock“ eine Mitklatsch-Orgie aus. Es folgten französische Chansons, ein Sixties-Potpourri und lateinamerikanische Songs. Und immer wieder kehrt sie zu ihrem geliebten Bertholt Brecht zurück, dessen „Haifische“ sie auch heute noch unter uns sieht. Mit „Mackie Messer“ beweist Hanna Schygulla ihre Jazz- Qualitäten, ehe sie das begeisterte Publikum mit „Lili Marleen“ entlässt.
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