Da die Bezeichnung „Musical“ kein geschützter Begriff ist, nehme ich mir in den Zeiten, in denen die (Stadt-)Theater ihre wohlverdienten Ferien machen, die Freiheit, bei den mehr oder weniger engen „Verwandten“ des Genres zu wildern. Besonders fündig wird man da beim schon traditionellen Sommerfestival in der Kölner Philharmonie, dass auch dieses Jahr wieder drei hochkarätige Shows bietet.
Die erste, „Balé de Rua“ (3.-12.7.) kommt mit ihrer getanzten Geschichte Brasiliens dem „Musical“ noch am nächsten. Für vierzehn Tänzer und eine Tänzerin ist jener Traum wahr geworden, den sonst nur die kleinen, ballverliebten Jungs in den Favelas träumen: Sie haben ihre Leidenschaft zur Profession gemacht und touren seit 2002 rund um den Globus.
Angefangen hatte alles Ende der 80er Jahre in Uberlandia, einer Provinzstadt im Südosten Brasiliens, mit einem kommunalen Tanzprojekt, dass den Kindern aus den Armutsvierteln eine Perspektive jenseits der Kriminalität bot. Mittlerweile melden sich jährlich rund 300 Jungen und Mädchen aus den Favelas zu den kostenlosen Kursen an. 160 können aufgenommen werden. Und nachdem sie 13 Jahre auf Beton geübt haben, konnten sie sich vor drei Jahren endlich einen professionellen Proberaum leisten. Aus den Breakdance-Anfängen hat sich mittlerweile eine fulminante Ethno-Show entwickelt, in der sich die traditionellen „Capoeira“-Kampftänze mit Samba-, Merengue-, Salsa-, Funk- und Hip Hop-Rhythmen zu einer ebenso explosiven wie akrobatischen Choreographie mischen.
Etwas gemütlicher lassen es dann fünf schon etwas angegraute und dem deutschen „Äppelwoi“ nicht abgeneigte Herren aus den USA angehen, die mit „Rain“ (14.-26.7.) ihren Idolen, den Beatles, Tribut zollen. Während Mark Lewis mit seinem Keybord „unsichtbar“ aus dem Off agiert, lassen Joe Bithorn (Georg), Ralph Castelli (Ringo), Joe Curatolo (Paul) und Steve Landes (John) die Songs der „Fab Four“ wiederauferstehen. Wenn man die Augen schließt, ist die Illusion perfekt: Das ist mehr als eine Cover-Band. Das sind die Beatles 1A.
Und da im Bühnenhintergrund mittels multimedialer Projektionen auch noch die Zeit der „Pilzköpfe“ auflebt, kann man sich ganz seinen nostalgischen Gefühlen hingeben – oder die musikalische Vergangenheit seiner Eltern und Großeltern neu entdecken.
Bereits zum dritten Mal gastieren „Yamato – die Trommler von Japan“ (28.7-9.8.) beim Sommerfestival, natürlich mit einem neuen Programm: „Matsuri“, das die traditionellen Feste zu Ehren der Shinto-Gottheiten aufleben lässt. Wenn die fünf Frauen und fünf Männer ihre klassischen Taiko-Trommeln, die manchmal die Ausmaße eines Weinfasses erreichen, mal zärtlich, mal martialisch „bearbeiten“, dann vervielfältigen die Vibrationen sozusagen unseren Herzschlag. Und das „Streicheln“ der Koto, einem zwischen Harfe und Zither angelegtem Instrument, dringt tief ins Innerste unserer Seele. Vielleicht ist das das Geheimnis, warum man sich so bereitwillig in diese exotische (Musik-)Kunst entführen lässt, die Schwingungen geradezu euphorisch auf die Bühne zurückfließen lässt.
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