Zwei Premieren zwischen Oper und Musical/Zwei opernhafte Musicals im Ruhrgebiet: Jim Steinmans „Tanz der Vampire“ und Leonard Bernsteins „Candide“. Roman Polanskis 1967 entstandene Genre-Parodie „Tanz der Vampire“ schrieb nicht nur Filmgeschichte, sondern geriet auch durch den Mord an seiner Frau und Hauptdarstellerin Sharon Tate durch die berüchtigte „Manson Family“ in die Schlagzeilen. 1997 wagten sich dann der Librettist Michael Kunze und der Komponist Jim Steinman an eine Musical-Version des Films, die sich mittlerweile zum erfolgreichsten deutschsprachigen Musical entwickelt hat. Der Haupt-Song „Totale Finsternis“ wurde sogar 2005 von unseren TV-Zuschauern zum „größten Musical-Hit aller Zeiten“ gewählt. Nur im Mutterland des Musicals ließen man sich von der „Mogelpackung“ nicht täuschen. Denn Steinman machte es sich allzu leicht. Er „kopierte“ einfach seinen Bonnie-Tyler-Hit von 1983 („Total Eclipse of the Heart“) als immer wiederkehrendes Thema in die Handlung ein und plünderte ansonsten seine Meat-Loaf-Songs gnadenlos aus. Das gerät dann durch die sinfonische Instrumentierung zu einer Melange aus Rock und Pseudo-Oper, die mit unsäglichen Sprechgesängen angereichert ist. So verschwand das Stück schon 14 Tage nach der Broadway- Premiere vom Spielplan. Immerhin: Broadway-reif war und ist im Metronom-Theater in Oberhausen das am „Gothik-Horror“ orientierte Bühnenbild von William Dudley, das einem Schauer wohligen Grusels über den Rücken laufen läßt. Bestaunenswert auch die fantasievollen Kostüme von Sue Blane. Ansonsten zeugt die transsylvanische Vampirjagd von wenig Musical-Talent. Bei den Darstellern wechselt Licht und Schatten: während Jan Ammann (Graf Krolok) und Jerzy Jeszke als (untoter)Wirt Chagall ihre Figuren mit bühnenübergreifendem Charisma füllen, überzeugt der Rest des Ensembles weder schauspielerisch noch gesanglich. Ganz anders das Ensemble an einem der architektonisch schönsten Theater Deutschlands, dem MIR in Gelsenkirchen. Hier hatte sich der neue Intendant Michael Schulz an Leonard Bernsteins selten gespielten „Candide“ gewagt. Jenes Stück, mit dem Bernstein noch auf der Suche nach seinem Stil war und das wie kein zweites seine Definition des Musicals („Ein gutes Musical ist ein Theaterstück, dass man auch ohne Musik spielen kann“) bestätigt. „Candide“, in den Stimmlagen zwischen Oper und Operette changierend, in der szenischen und choreographischen Umsetzung der Broadway-Revue verwandt, ist pralles Theater, das Voltairs ironisch-zynische Vorlage von der „besten aller Welten“ unter Gil Mehmerts straffer Regie gekonnt zum immer noch aktuellen Gesellschafts- Bilderbogen erweckt. Unter dem ,den Melodien Bernsteins den nötigen Verve gebenden, Dirigat es ebenfalls neuen GMD Rasmus Baumann überzeugten die Solisten sowohl stimmlich, wie auch schauspielerisch - was an der Oper immer noch eine Seltenheit ist. Nur der „hochgezüchtete“ Koloratursopran von Diana Petrova stand in krassem Gegensatz zu ihrem unhörbaren Sprechstimmchen. Das war aber auch der einzige Wermutstropfen in einem von allen Beteiligten optisch wie akustisch äußerst schmackhaft angerichteten Operetta-Freudenbecher.
„Tanz der Vampire“ täglich (außer Montag) im Metronome-Theater Oberhausen (am CentrO) Karten: 0180 544 44
„Candide“ (30.11., 14.+27.12.) im Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen Karten: 0209 409 72 00
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