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Julia von Heinz am Set
Foto: © Warner Bros.

„Was übrig bleibt, wenn keiner mehr hinguckt“

22. Dezember 2015

Regisseurin Julia von Heinz über die Kerkeling-Verfilmung „Ich bin dann mal weg“ – Gespräch zum Film 01/16

Nach dem Studium war Julia von Heinz (*1976) künstlerische Mitarbeiterin Rosa von Praunheims an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ und drehte später mit Kollegen wie Tom Tykwer die Doku „Rosakinder“ über den gemeinsamen Mentor. Ihr Langfilmdebüt „Was am Ende zählt“ (2008) wurde u.a. mit dem Deutschen Filmpreis in Gold als „Bester Kinder- und Jugendfilm“ prämiert. Mit „Hanni & Nanni 2“ und „Hannas Reise“ (2013) verfilmte sie bereits Romane. „Ich bin dann mal weg“ startet zu Weihnachten im Kino.

choices: Frau von Heinz, sind Sie eine Vielleserin oder woher kommt Ihr Bezug zu Buch-Adaptionen?
Julia von Heinz: Ich lese sehr viel. Aber das war trotzdem eher ein Zufall. Keines der Bücher, die ich verfilmt habe, hatte ich gelesen, bevor ich sie angeboten bekam.

 

Wann haben Sie denn Hape Kerkelings Bestseller zuerst gelesen?

Tatsächlich erst, als die Ufa auf mich zukam. Davor war es mir natürlich ein Begriff. Ich hatte fast das Gefühl, ich kenne es schon, so viel hatte ich darüber gehört.

 

Sind Sie ein spiritueller Mensch?

Gar nicht. Deswegen habe ich es auch wahrscheinlich nicht gelesen damals. Ich dachte, das würde mich nicht interessieren. Als ich es dann las, merkte ich, dass es um genug geht, was mich auch als nicht gläubigen Menschen interessiert und was ich erzählenswert finde.

 

Was war das?

Ich fand es bemerkenswert, dass ein Mensch, der so stark in den Medien und im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht, sagt: Ich verzichte auf all das noch mal und schaue, was übrig bleibt, wenn keiner mehr hinguckt. Kein Publikum, keine Entourage, keine Kamera. Das fand ich einen spannenden Schritt. Ich mochte auch sehr Hape Kerkelings Genauigkeit bei der Figurenbeschreibung im Buch. Und dass er so freundlich und unhierarchisch auf Menschen schaut. Ganz und gar auf Augenhöhe mit jedem, dem er da begegnete.

 

Erschien Ihnen der erzählerische Pfad nicht durch andere Filme und Bücher ausgetreten?

Nein. Ich hatte das Gefühl, wir machen noch mal was anderes. Wenn es für mich schon den Jakobsweg-Film gegeben hätte, hätte mich das nachdenklich gestimmt. Aber das war nicht der Fall.

 

Eine Literaturadaption bedeutet auch immer, dass man den Geist der Vorlage treffen muss. Worin lag dieser Kern für Sie und wie sind sie daran gegangen, ihn in Szene zu setzen?

Besonders fand ich, wie humorvoll es ist, ohne dabei komödiantisch im Sinne von klamaukig zu sein. Das war für mich das Wichtigste. Diesen Ton zu treffen. Mit Humor und Leichtigkeit anzufangen, aber dann doch immer ernsthafter zu werden im Verlauf des Films, weil es ja wirklich um etwas geht.

 

War es kein riesiger Druck, das zeigen zu sollen, was fünf Millionen Leser in dem Buch gesehen haben mögen?

Der Einzige, für den ich den Film im Grunde gemacht habe, war Hape Kerkeling. Ich dachte immer: Wie würde er das machen? Fände er das jetzt gut? Ich dachte, wenn ich seinen Geschmack treffe, dann ja vielleicht auch den der Leser. Sie konnte ich mir schwer vorstellen. Hape Kerkeling schon.

 

Haben Sie auch mit ihm zusammengearbeitet?

Nein, wir haben uns noch nicht kennengelernt. Er hatte Drehbuchfassungen gelesen und achtete auf Werktreue. Das fand ich gut. Und er hat sich meine Castingbänder zuschicken lassen. Er war da aber wohl in jeder Hinsicht meiner Meinung, wer die richtigen Menschen sind für den Film.

 

Hätten Sie ihn gerne als Hauptdarsteller gehabt?

Das Projekt kam schon mit der Ansage, dass es ohne ihn sein wird. Ich überlegte, ob das überhaupt geht, fand aber seine Erklärung einleuchtend: dass er jetzt zu alt ist und sich nicht selber spielen möchte. Als ich das Drehbuch gelesen hatte, war mir das klar. Um Krisen oder schwierige Zustände zu spielen, muss man gelernter Schauspieler sein. Und ich weiß nicht, ob ich mit Hape Kerkeling auf einem Berg stehen möchte und er soll weinen. Ich hätte vielleicht zu viel Respekt gehabt, um das von ihm zu verlangen.

 

Sie haben 70 Prozent des Drehs vor Ort auf dem Jakobsweg umgesetzt. Das klingt nach Schwierigkeiten an allen Ecken und Enden …

Das Wetter war ein Riesenproblem. Wir hatten Wetterbeschreibungen im Drehbuch, die auch im Dialog bespielt wurden. Das war nicht zu ändern. Wir mussten fast täglich mit Wetter umgehen, das anders war als erwartet. Die Begegnungen mit den vielen echten Pilgern dagegen fand ich schön, eine Bereicherung. Einmal, weil man beobachten konnte, wie sie sich verhalten. Und auch, weil man dauernd gespiegelt bekam, wie schön es ist, dass dieser Film entsteht. Viele haben uns freudig begrüßt oder wollten gerne Komparsen sein. Was wir auch vielfach angenommen haben. Auch logistisch war das Ganze eine Herausforderung. Wir hatten aber einen tollen Produktionsleiter und eine spanische Service-Produktion, die das für uns gestemmt haben.

 

Und Sie hatten dankbare Locations für große Kinobilder.

Ja, und bei den anderen Filmen – die sehr viel Schönes haben – dachte ich: Landschaftlich kann man dem noch mal mehr hinzufügen, an noch mehr Stellen des Jakobswegs gehen und sie zeigen. Wir waren dann auch jeden Tag woanders.

 

Was war der schlimmste und was der schönste Drehtag?

Schlimm waren eigentlich nur die Wetterbedingungen, die einem so oft Zeit geraubt oder zum Umdenken gezwungen haben. Der schönste Dreh war zum Schluss in dem Steinhaus, wo die drei Freunde zueinander finden. Das war für mich als Regisseurin auch nach dem vielen Herumziehen schön, dort in Ruhe die Szenen zu erarbeiten.

 

Nach diesem Mammutprojekt hätten Sie sicher selbst eine Auszeit gebrauchen können. Würde Sie persönlich der Jakobsweg reizen?

Den Jakobsweg würde ich mich Sicherheit nicht gehen. Ich finde, da ist ganz schön viel los. Wenn ich Ruhe brauche und innere Einkehr, würde ich genau dort nicht hingehen. Sondern eher, wenn ich neue Freunde finden wollte.

 

Man spricht ja sogar von einem „Kerkeling-Effekt“, der die Pilgerzahlen nach dem Erfolg des Buches hat hochschnellen lassen …

Ja, wir haben gemerkt, wie viele auf seinen Spuren wandeln, das Buch in der Tasche haben und sich selbst auch so ein intensives Erlebnis wünschen.

 

Vielleicht sorgt Ihr Film für noch mehr Zulauf.

Darüber habe ich auch nachgedacht, klar. Es kann passieren, dass jetzt noch mehr Leute zum Jakobsweg strömen. Aber warum nicht? Es tut ja keinem weh und ist eine schöne Sache.

Interview: Jessica Düster

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