Wer hätte gedacht, dass im Zeitalter der digitalen Medien die Romantik der Zirkuswelt noch einmal eine Auferstehung erleben würde. Aber tatsächlich ist es nicht mehr der Geruch von Holzmehl und Exotik, der die Erregung des Zirkusspektakels beim Publikum auslöst. Die Lust an der Grenzüberschreitung im Experiment mit dem eigenen Körper und der Welt elektrisiert die neue Zirkus-Community ebenso wie das Publikum. Elf europäische Länder schließen sich derzeit in einem Netzwerk der Zirkusbegeisterung zu einem großen Festival zusammen. In Deutschland bieten sieben Städte „Zeit für Zirkus“, darunter auch die NRW-Städte Bochum, Herne, Marl und Köln. „Seit wir vor elf Jahren den Bundesverband Zeit für Zirkus in Köln gegründet haben, wird die Bewegung immer größer. Diese Idee hat super eingeschlagen und verfügt über Zukunftspotenzial“, erklärt Tim Behren begeistert. Er ist einer der Gründer der Zirkuseuphorie und choreographiert selbst an der Nahtstelle zwischen Tanz und Akrobatik.
An neun Orten im Stadtgebiet von Köln wird Tim Behren mit den befreundeten Künstlerkollektiven innerhalb der Woche vom 7. bis 13. November 22 Veranstaltungen realisieren. Unter der Mülheimer Brücke zeigen etwa die Angels Aerials ihr Flugtheater gemeinsam mit Commando Taube, die für den humorvollen Teil der Aktion garantieren. Über Akrobatik an Seilen entstehen Situationen kraftvoller Poesie, die den Stadtraum für einen Moment seiner funktionalen Bestimmung entkleiden. Beim Zuschauen wird man sich bewusst, dass der Luftraum auch zu unserem Alltagsleben gehört und gestaltet werden will. Für Jan Jedenak ist hingegen das Figurentheater ein Instrument, um die Grenzen geschlechtlicher Identität zu erkunden. In der Tanzfaktur zeigt er „Mandragora“, eine Performance, die spektakuläre Körperaktionen bietet.
Dass die Begeisterung für Artistik, Jonglage und Clownerie zu einem festen Bestandteil der darstellenden Künste geworden ist, zeigt sich nicht alleine an der breiten Beteiligung der Theater auf Kölns beiden Rheinseiten. Auch der Sender ARTE setzt auf die Lust am Zirkus, indem er den Eröffnungsabend im Film Forum NRW im Museum Ludwig veranstaltet. Drei Filme über Persönlichkeiten der Zirkuskunst sind zu sehen und Tim Bahren stellt mit Jenny Patchovsky das gemeinsam entwickelte Buch „Über Circus in Flux“ vor.
Zeit für Zirkus | 7. - 13.11. | div. Orte | www.zeitfuerzirkus.de
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