Daniel Sträßer kam 1987 im saarländischen Völklingen auf die Welt. Nach seinem Schauspielstudium an der Universität Mozarteum in Salzburg wurde er direkt ins Ensemble des renommierten Burgtheaters in Wien engagiert. Seitdem hat er in etlichen Film- und Fernsehrollen („Die Pfeiler der Macht“, „A Pure Place“) auf sich aufmerksam gemacht, im Jahr 2020 an der Seite von Vladimir Burlakov als „Tatort“-Kommissar des Saarländischen Rundfunks begonnen. Sein neuer Kinofilm „Alles in bester Ordnung“ läuft am 26. Mai an und zeigt Sträßer an der Seite von Corinna Harfouch.
choices: Herr Sträßer, sind Sie wie Ihre Rolle Fynn im Film eher ein ordnungsliebender Mensch oder haben Sie eine Sammelleidenschaft?
Daniel Sträßer:Ich bin tendenziell eher ein ordnungsliebender Mensch. Ich brauche meine Ordnung und meine Strukturen. Ich mag allerdings keine leere Wohnung, ich besitze schon gerne Dinge und habe gerne Kunstgegenstände und schöne Dinge um mich herum. Ich mag auch Designgegenstände und Tand, der nicht unbedingt praktisch sein muss. Aber ich mag die Ordnung dabei schon sehr gerne.
Marlen und Fynn könnten kaum gegensätzlicher sein. Warum gelingt es ihnen Ihrer Meinung dennoch, recht schnell auf einer Wellenlänge zu liegen und miteinander klarzukommen?
Ich denke, die beiden sind irgendwie aus der Zeit und aus der Gesellschaft gefallen. Wie zwei radikale Ränder, die sich dann schon wieder annähern in ihrer kruden Existenz.
Könnte man auch sagen, dass beides einsame Menschen sind und aufgrund dieser Gemeinsamkeit dann zueinander finden?
Ja, beide sind, vielleicht auch durch ihre jeweilige Eigenart, einsam. Aber ich glaube nicht, dass sie einfach nur zwei Einsame sind, die zueinander gefunden haben, dadurch würde man der Geschichte sicherlich einige ihrer Besonderheiten rauben. Einsamkeit ist einer von vielen Faktoren, warum die beiden Figuren miteinander klicken.
Würden Sie denn sagen, dass die verschiedenen Lebensmodelle, die die beiden führen, bestimmt werden von den verschiedenen Generationen, denen die Figuren angehören?
Hm, gute Frage. Ich glaube, dass es die Minimalist:innen und die Liebhaber:innen der Dinge im gesamten Generationsspektrum gibt. Ich glaube, dass das gar nicht so sehr auf jung/alt, männlich/weiblich herunterzubrechen ist. In diesem Fall ist es eben so gesetzt, dass eine Frau mittleren Alters und ein eher jüngerer Mann diese Rollen zugewiesen bekamen. Aber die Geschichte ließe sich genauso auch umgedreht erzählen.
Das auf jeden Fall. Meine Frage zielte auch ein wenig darauf ab, dass Fynn einer Generation von Menschen angehört, die berufsbedingt vielleicht nicht mehr so sesshaft sind wie früher, weil sie viel unterwegs sein müssen, was dem Ansammeln eines schönen Eigenheims etwas entgegensteht…
Ich glaube, dass Fynn das eher dankbar annimmt, dass er viel unterwegs sein kann. Ich selbst bin als Schauspieler ja auch viel unterwegs und lebe viel in Hotelzimmern. Dafür habe ich mir beispielsweise einen sehr schönen Koffer gekauft, weil das Reisen mit einem schönen Koffer einfach viel mehr Spaß macht. (lacht) Ich habe aber trotzdem ein sehr schönes und liebevoll eingerichtetes Zuhause, auf das ich mich umso mehr freue, wenn ich lange weg war.
„Corinna ist toll, aber ich bin auch toll!“
In vielen Szenen des Films reduziert sich die Handlung auf die beiden Protagonisten. Hatten Sie Angst, dabei von der Hochkaräterin Corinna Harfouch an die Wand gespielt zu werden?
Nein, hatte ich nicht. Corinna ist toll – aber ich bin auch toll! (lacht) Ich wurde sehr früh in eine Löwengrube mit genialen Schauspieler:innen geschmissen, ins Burgtheater in Wien. Dort habe ich mir meine Sporen verdient. Corinna ist auch kein Mensch, den man fürchten sollte und auch keine Schauspielerin, die man fürchten muss. Da gab es weder Bedenken im Vorfeld, noch Problematiken beim Drehen.
Einen gewichtigen Stellenwert im Film nimmt auch das Production Design von Marlens Wohnung ein. Haben Sie beim Dreh noch mitbekommen, wie diese zusammengestückelt wurde?
Der Raum ist quasi der dritte Protagonist des Films und nimmt einen enormen Einfluss auf die Personen, die darin agieren. Natürlich wurde die Wohnung genial in einem Studio gebaut, in dem man auch Wände herausnehmen konnte. Aber generell musste sie natürlich immer diese Enge und Vollgestelltheit transportieren. In solch einem Raum bewegt man sich natürlich anders, gerade, wenn man wie ich 1,90 Meter groß ist, sich ständig an etwas stößt und leicht gebückt gehen muss. Der Raum konnte einen nerven, aber einem auch viel Verspieltheit mitgeben. Er konnte einen beengen, man konnte sich aber auch mit seinem Blick darin verlieren und sehr weit abschweifen.
Für Natja Brunckhorst war der Film ihr Langfilmdebüt. Wie haben Sie sie denn in dieser Rolle erlebt?
Man merkte schon, dass Natja früher auch Schauspielerin gewesen war und dass sie in die Regierolle ein Stückweit auch erst hineinfinden musste. Für viele Schauspieler:innen ist es ja ein logischer Schritt, dass sie später auch Regie führen, wobei sie in diesem Fall ja auch die Drehbuchautorin war. In dieser Geschichte steckt meiner Meinung nach sehr viel Persönliches von ihr drin, Natja ist ein sehr offener, herzlicher, begeisterungsfähiger Mensch.
„Ich behalte Gegenstände auch wegen der immateriellen Erinnerung“
Was der Film sehr subtil und weise anspricht, ist die Frage nach persönlichen Erinnerungen. Haben Sie auch besondere Gegenstände, um sich an Personen oder Ereignisse zu erinnern?
Ja, sicher, die gibt es auf jeden Fall. Das Kissen auf meinem Sofa, das ich irgendwann in Istanbul auf dem Markt gekauft habe. Ich erinnere mich noch sehr genau an den schönen Tag, an dem ich mit meiner Mutter über den Basar schlenderte und das Kissen kaufte. Oder diese Kette aus Ägypten – vieles sind vielleicht eher Reisesouvenirs, aber ich behalte auch viele Gegenstände nicht nur wegen ihres materiellen Wertes, sondern auch wegen der immateriellen Erinnerung.
Hat sich durch Ihre jüngsten Serienrollen, von „Charité“ über den „Tatort“ bis zu „Funeral for a Dog“, Ihre Popularität bereits geändert? Können Sie das in Ihrem Alltag feststellen?
Ich lebe in Berlin zwischen Mitte und Prenzlauer Berg, da wohnen fast nur Schauspieler:innen, da fällt man nicht besonders auf. (lacht) In Saarbrücken ist das tatsächlich nochmal anders, da wird man als Saarbrückener „Tatort“-Kommissar auch auf der Straße erkannt. Die Leute lieben das und ich liebe das auch, denn ich komme ja aus Saarbrücken. Ich drehe diesen „Tatort“ für mein Leben gerne und diese fünf Wochen pro Jahr sind für mich immer eine schöne Reise in die alte Heimat, die ich jetzt aber doch noch einmal mit neuen Augen sehe und kennenlerne.
Ihr „Tatort“-Partner Vladimir Burlakov hat sich kürzlich als schwul geoutet, ungefähr zur gleichen Zeit des Manifestes der queeren Schauspieler:innen. Glauben Sie, dass solche Aktionen die Wahrnehmung queerer Menschen heute noch beeinflussen oder verändern können?
Oh ja, das denke ich schon. Ich finde das großartig, wenn Kolleg:innen das tun. Diejenigen, die den Mut besitzen, damit an die Öffentlichkeit zu gehen, sorgen damit für eine Sichtbarkeit innerhalb aller Gesellschaftsschichten. Das finde ich gleichermaßen toll und wichtig. Andererseits ist das Thema, wen man liebt, etwas sehr Privates, deswegen finde ich es auch völlig okay, wenn Kolleg:innen sagen, dass das niemanden etwas angeht. Ich erzähle auch niemandem, wen ich liebe, und ich versuche, mein Privatleben und meine Familie aus meinem Beruf herauszuhalten.
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