Schwierige Zeiten erfordern gute Unterhaltung. Und die leichte Operetten-Muse war schon immer eine große Stärke des Hagener Theaterensembles. Einmal mehr beweist es das mit Paul Abrahams „Blume von Hawai“
Die „Roaring Twenties“ sind gerade wieder schwer angesagt. Im Fernsehen läuft „Babylon Berlin“, und die Musik jener Zeit erfreut sich großer Beliebtheit – auch die von Paul Abraham. Ihm wird zu Recht bescheinigt, die Operette erstmals in Richtung Musical aufs Gleis gesetzt zu haben. Foxtrott und das, was man seinerzeit für „Jazz“ hielt, mischte er geschickt mit der europäischen Salon-Operette und brachte so frischen Wind hinein.
Auf der Bühne sind Abrahams Stücke aber weiterhin Raritäten. Der Wiener Regisseur Johannes Pölzgutter zeigt dessen zweites Erfolgsstück von 1931 in Hagen weitgehend werktreu und zumindest anfangs ziemlich brav. Da hat man in Hagen schon weitaus frechere Operetten gesehen.
Unter künstlichen Palmen
Der besondere Dreh der Regie kommt erst nach der Pause so recht zur Geltung: Denn Pölzgutter hat das Stück gekürzt, indem er den dritten (und letzten) Akt in einen Epilog umwandelt, der an einen kurzen Prolog wiederanknüpft, in dem einer der Protagonisten, der Marinekapitän Stone, schwer betrunken in einem Varieté-Theater strandet und sich dort in die Operettenwelt des gerade von den USA annektierten Inselstaats Hawaii Ende des 19. Jahrhunderts träumt. Im Traum sind dann sämtliche Südseeklischees von (angedeutet) barbusigen Schönheiten im Baströckchen in ironischer Zuspitzung möglich. Im Epilog wechselt die Handlung zurück ins Varieté-Theater. Den eigentlich nicht rassistisch motivierten, aber aus heutiger Sicht doch sprachlich reichlich unkorrekten „Niggersong“ hat die Regie kommentarlos gestrichen. Und Musiker Jim Boy ist dieser Fassung auch kein Schwarzer mehr. Möglichen Politisierungen ist Pölzgutter damit konsequent aus dem Wege gegangen. Und das ist legitim.
Das Hagener Ensemble erlebt das Publikum gewohnt spielfreudig. Drei Paare müssen unter betont künstlich gehaltenem goldenen Palmendach zueinander finden: Angela Davis wechselt gekonnt zwischen den Rollen der anmutigen Prinzessin Laya und einer etwas vulgären Varitésängerin. Richard van Gemert überzeugt als grundehrlicher, verliebter Prinz Lilo-Taro, dem allerdings alles Hawaiianische abgeht. Kenneth Mattice ist der schneidige Marine-Offizier, der erbarmungswürdig dem Alkohol verfällt, sich dank der Prinzessinnen-Doppelgängerin aus dem Varieté aber am Ende wieder fängt.
Exzellente Beinarbeit
Penny Sofroniadou hat als vermeintlich einfältiges Hula-Mädchen Raka, das sich schließlich als sehr intelligent und abgezockt herausstellt, eine der humoristisch dankbaren Rollen. Ihr Partner Jim Boy ist Frank Wöhrmann, der in Pölzgutters Fassung nicht mehr als Verkörperung der seinerzeit noch „exotischen“ Welt des Jazz durchgeht, seine Rolle aber dennoch überzeugend ausfüllt. Einen seiner wirkungsvollsten Auftritte muss er allerdings abgeben, weil dieser spezielle Fähigkeiten erfordert: zum Stepptanz.
Statt Jim Boy ist es in Hagen Buffy, der Sekretär des US-Gouverneurs, der den großen Auftritt bekommt. So erfährt die Rolle des trotteligen Gernegroß und Antihelden eine noch unerwartetere Wendung, als sie das Libretto von Alfred Grünwald, Fritz Löhner-Beda und Imre Földes vorsieht. Alexander von Hugo glänzt mit gekonnter Komik, aber auch mit exzellenter Beinarbeit. Kurios ist allerdings, dass als Tanzpartner nicht Alina Grzeschik in der Rolle von Buffys Angebeteter Bessie zum Zuge kommt, sondern Maciej Bittner, der in einer Nebenrolle den Kadett Bobby Flipps spielt, einspringen muss.
Im Epilog sind es Buffy und Raka, die plötzlich und unerwartet die Führung übernehmen, um die Handlung zu einem zügigen Happy End für alle Paare zu führen. Das ist ein wenig textlastig geraten, aber komödiantisch hat es den nötigen Schwung.
Jede Menge Elan und Frische verströmt auch das kleine Jazzorchester mit Klavier, Schlagzeug und Hawaiigitarre unter Leitung von Rodrigo Tomillo. Ein vergnüglicher Abend.
Die Blume von Hawaii | R: Johannes Pölzgutter | derzeit keine Termine | Theater Hagen | 02331 207 32 18
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