Carsharing pflegte in Deutschland über Jahrzehnte ein Nischendasein. Doch seit einigen Jahren befindet sich die Branche gewaltig auf dem Vormarsch; die Zuwachsraten, die der Branchenverband in diesem Frühjahr präsentierte, sind beeindruckend: Carsharing-Unternehmen bieten demnach inzwischen in 600 Gemeinden in Deutschland ihre Dienste an, 60 seien allein im vergangenen Jahr hinzugekommen. Noch besser sieht es laut Verband beim Kundenzuwachs aus: Von den 1,75 Millionen Carsharing-Nutzern, die mittlerweile in Deutschland registriert sind, seien 455.000 erst 2016 hinzugekommen – das entspricht einem Zuwachs von 36 Prozent.
In Köln passt der Trend in dieses Bild: Im letzten Jahr konnten Anbieter wie Cambio oder DriveNow in der Domstadt zweistellige Zuwächse von 13 bis 30 Prozent verbuchen. Cambio, einer der Branchenprimi, ist nicht nur das älteste deutsche Carsharing-Unternehmen, sondern auch ein echtes Kölner Gewächs: 1992 unter dem Namen Stattauto Köln gegründet, schloss sich das Unternehmen später mit einer in Norddeutschland und Belgien tätigen Firma zusammen. Heute hat Cambio in Köln 18.350 Kunden und verfügt über eine Flotte von 500 Fahrzeugen, die an 90 Stationen im Stadtgebiet ausgeliehen werden können.
Stationsbasierten Anbietern stehen sogenannte Free-Floating-Anbieter wie DriveNow gegenüber: Ihre Fahrzeuge können in weitläufigen Gebieten nach Belieben abgestellt und wieder ausgeliehen werden. Das Kölner Amt für Straßen und Verkehrstechnik unter seinem Leiter Klaus Harzendorf fördert diese Entwicklung, indem es an zentralen Orten wie dem Mülheimer Bahnhof eigene Stellflächen für Carsharing einrichtet. Denn Verkehrs- und Stadtplaner hoffen auf den Effekt, dass Carsharing-Nutzer auf ein eigenes Auto verzichten – weniger PKW gleich weniger Verkehr gleich weniger Fläche, die für Parkplätze eingeplant werden muss. Laut Harzendorf besitzen 78 Prozent der Kölner Carsharing-Kunden kein eigenes Auto mehr.
Nicht zuletzt bedeuten weniger PKW auch weniger Emissionen, weswegen Carsharing als umweltschonend gilt. So hat auch die Bundesregierung unlängst die Förderung der Branche beschlossen: Mittels Gesetz werden Kommunen Möglichkeiten gegeben wie eigene Stellplätze auszuweisen, oder Parkgebühren für Carsharing-Betreiber zu reduzieren. Doch es sind auch kritische Stimmen vernehmbar: Die Deutsche Umwelthilfe etwa lässt kein gutes Haar am stationsungebundenen Carsharing, es würde vor allem dem öffentlichen Nahverkehr Konkurrenz machen, und statt für weniger Autos auf den Straßen zu sorgen das Gegenteil bewirken. Zudem sei es auch für Kunden nur durch die Subventionierung durch die Kommunen attraktiv – dieses Geld solle stattdessen in die Modernisierung des ÖPNV und der Taxi-Flotten investiert werden. Positiver bewertet die Umwelthilfe das stationsgebundene System: Hier zeige sich, dass die Nutzer etwa 40 Prozent weniger Fahrten mit dem Auto tätigen und stattdessen öfter auf Fahrrad, Bus oder Bahn zurückgreifen würden.
Tatsächlich ist der Effekt insgesamt bisher noch gering: Nach einer Studie von 2014 zu Nutzungsdaten der Anbieter DriveNow und car2go hätten diese am Gesamtverkehrsaufkommen einen Anteil von etwa 0,1 Prozent und böten damit weder der Umwelt noch der Verkehrsinfrastruktur eine nennenswerte Entlastung. Auch in Köln relativieren sich die Zahlen: Den etwa 1200 Fahrzeugen der drei größten Anbieter in der Stadt stehen immer noch 45.000 zugelassene private PKW gegenüber – und auch bei den Zulassungszahlen ist die Tendenz steigend. Einen ökologische Nutzen und eine positive Wirkung auf das Verkehrsaufkommen in den Städten hat Carsharing aber nur, wenn die Zulassungszahlen effektiv sinken.
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