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Die tote Stadt
Foto: Hans-Jorg Michel

100 Jahre „Die tote Stadt“

01. Dezember 2020

Oper Köln begeht Korngold-Jubiläum – Oper in NRW 12/20

Die Geschichte eines völlig resignierten Mannes mittleren Alters, der in einer zum Freiluftmuseum erstarrten Stadt, dem flandrischen Brügge, selber in abgrundtiefer Trauer um die verstorbene Ehefrau und Liebe seines Lebens erstarrt ist – das ist doch kein Stoff, von dem sich ein 19-Jähriger angesprochen fühlen kann!? Unter Umständen offenbar doch. Bei Erich Wolfgang Korngold war es jedenfalls so. Und zu den besonderen Umständen zählte sicherlich, dass das einstige musikalische Wunderkind seine Jugend in Wien mitten im Ersten Weltkrieg verbrachte. Und dass ihm Siegried Trebitsch, der Übersetzer des  symbolistischen Roman „Bruges-la-Morte“ von Georges Rodenbach, den Stoff persönlich nahelegte.

Denn trotz seines jugendlichen Alters war Korngold 1916 bereits ein bekannter Komponist. Zwei Einakter hatte der hochbegabte Sohn eines hochehrgeizigen und einflussreichen Musikkritikers gerade geschrieben, und beide Stücke hatten sich in Österreich und Deutschland im Handumdrehen zu ziemlichen Publikumsrennern entwickelt.

Drei Bilder durchkomponiert

Jedenfalls befasste sich der junge Wolfgang, der seinen zweiten Vornamen wohl in der Hoffnung auf eine Nachfolge des großen Wolfgang Amadeus bekommen hatte, ganze vier Jahre mit dem ziemlich trübsinnigen Roman über „Das tote Brügge“ und machte eine Oper daraus: „Die tote Stadt“. Am 4. Dezember 1920 war die Uraufführung – zeitgleich in den Stadttheatern von Hamburg und Köln. Die Oper Köln bringt das durchkomponierte Stück in drei Bildern 100 Jahre später wieder auf die Bühne.

Für Dirigent Gabriel Feltz, den Generalmusikdirektor der Dortmunder Philharmoniker, sind es große Fußstapfen, in die er damit tritt. Kein Geringerer als Pultlegende Otto Klemperer leitete als damaliger GMD (1917-´24) die Uraufführung in Köln. „Die tote Stadt“ stand am Beginn von 15 überaus erfolgreichen Jahren für Klemperer, der sich vor allem mit zeitgenössischen Opern einen Namen machte. Auch deshalb – aber vor allem weil Klemperer ein zum Katholizismus konvertierter, gebürtiger Jude war - fand seine Karriere 1933 ein jähes Ende. Die Nazis stempelten Klemperer zum „Kulturbolschewisten“ und belegten ihn mit einem Aufführungsverbot.

Längst international bekannt emigrierte er in die USA und konnte seine Karriere als Chefdirigent des Los Angeles Philharmonic Orchestra quasi nahtlos fortsetzen. Auch den zwölf Jahre jüngeren Korngold trieben die Nazis nach Übersee. 1934 hatte Max Reinhardt ihn für seinen ersten und einzigen Film, „Ein Sommernachtstraum“, nach Hollywood geholt. Der Film floppte, doch Korngolds Filmmusik erhielt Anerkennung und legte den Grundstein für eine langjährige Karriere als Filmkomponist, während der er schließlich mit zwei Oscars ausgezeichnet wurde.

Plötzlich unmodern

Anders als Klemperer, der auch nach dem Krieg in Europa weiter umjubelt wurde, stieß Korngold in Österreich auf ein geteiltes Echo – auch auf deutliche Ablehnung. Selbst in den USA gelang dem zugleich impressionistisch wie expressionistisch inspirierten Spätromantiker die Rückkehr aus den Filmstudios in den Konzertsaal nicht mit dem erhofften Erfolg. Korngold galt plötzlich als unmodern und wurde beinahe vergessen. Erst in den 70er Jahren wurde sein Werk – ausgehend von den USA – wiederentdeckt.

Viereinhalb Jahre Vorbereitung

Die Oper Köln hat nun viereinhalb Jahre lang daraufhingearbeitet, das besondere Jubiläum angemessen zu begehen – wenn auch wegen des Kultur-Lockdowns nicht mehr auf den Tag genau. Mit Tatjana Gürbaca konnte das Haus eine der zurzeit angesagtesten deutschen Opernregisseurinnen verpflichten. Und auch die Besetzung ist hochkarätig: Die lettische Sopranistin Aušrinė Stundytė, die einst ihre Karriere im Kölner Ensemble begann und die auch immer noch in Köln lebt, singt die Partie der Marietta/Marie alternierend mit der Wienerin Kristiane Kaiser, die seit drei Jahren regelmäßig als Gast in Köln auf der Bühne steht.

Die technisch überaus anspruchsvolle Partie des tragischen Antihelden Paul singt der jugendliche Heldentenor Burkhard Fritz, der in gleicher Rolle auch schon einmal an der Dresdner Semperoper zu erleben war, alternierend mit dem dramatischen Tenor Stefan Vinke, der den Paul bereits in Venedig und Sydney gesungen hat. Karsten Mark

Die tote Stadt | R: Tatjana Gürbaca | 1.(P), 4.12. je 19.30 Uhr (Stream), weitere Termine: 23., 30.12., 2.1. je 19.30 Uhr, 26.12. 16 Uhr | Oper Köln | 0221 221 284 00

Karsten Mark

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