Island im 18. Jahrhundert: Als wären Vulkanausbrüche, Eiseskälte und Hungersnöte nicht genug, drangsalieren auch noch die Dänen das isländische Volk. Wenn man zudem Waise ist wie der Junge Grimr, dann steht man ganz unten im sozialen Rang. Der gerissene Dieb Vigmar nimmt sich des Jungen an, der mit zunehmendem Alter ungewöhnliche Kräfte entwickelt. Vigmar will eine Sage schreiben und merkt langsam, dass Grimr das geeignete Vorbild sein könnte. Das Drama nimmt seinen Lauf … Jérémie Moreau erzählt mit „Die Saga von Grimr“ ein gewaltiges Epos, das sowohl dramaturgisch als auch mit kunstvollen Aquarellen beeindruckt – in diesem Jahr in Angoulême als bester Comic ausgezeichnet (avant-verlag). Noch ein Dieb, noch ein Stoff für Legendenbildung, allerdings überwiegt die Komik. In „Der Bücherdieb“ erzählen Alessandro Tota und Pierre van Hove die Geschichte einer unfreiwilligen Karriere in der literarischen Avantgarde des Paris der 50er Jahre: Daniel Brodin studiert Jura und schreibt privat ein bisschen. Durch eine unüberlegte Handlung gerät er ins Zentrum der Dichterszene und von da aus zur subversiven Avantgarde, meist eher Spielball der Ereignisse als deren Initiator. Eine berauschende Künstler-Fantasie mit viel Zeitkolorit (Reprodukt).
Miguelanxo Prado widmet sich nach „Ardalén“ erneut dem Schicksal der Alten, nur sind sie hier zugleich Opfer und Täter. Die Wirtschaftskrise in Spanien hat die Menschen in die Kreditfalle getrieben, für die Banken waren sie „Leichte Beute“. Kommissarin Tabares und Kollege Sotillo sehen sich einer Serie von Morden an Bankern gegenüber. Langsam wird klar, dass die Täter betrogene Rentner sein könnten. Auf welcher Seite Prados Sympathien stehen, ist klar. Spannend und mit lakonischem Witz verschafft er den Betrogenen mit seiner ungewöhnlichen Geschichte eine Stimme (Carlsen). Auch im Zentrum des Comics „Die Spinne von Maschhad“ steht ein Serienmörder. Sympathie liegt Mana Neyestani allerdings fern. Sein Comic basiert auf einer Dokumentation zu dem Fall von Said Hanai, der von 2000 bis 2001 mindestens sechzehn Prostituierte tötete, um seine Stadt zu „reinigen“. Interviews mit dem Richter, der Familie und nicht zuletzt dem Täter geben Einblicke in nicht nur einen von moralischem Eifer besessenen Täter, sondern eine ganze Gesellschaft, die dies ermöglicht (Edition Moderne). „Illegal – Die Geschichte einer Flucht“ ist ein Jugendbuch über eine Flucht nach Europa. Zwei Brüder suchen ihre Schwester, die versucht hat, nach Europa zu gelangen, aber nun verschollen ist. Geschrieben von Eoin Colfer („Artemis Fowl“) und Andrew Donkin und gezeichnet von Giovanni Rigano, schildert der Comic jugendgerecht und empathisch, aber ungeschönt ein typisches Flüchtlingsschicksal (Rowohlt).
Im Jahr 2001 hat der Berliner avant verlag als erste Veröffentlichung das zehn Jahre zuvor entstandene Werk „Berlin 1931“ von Raúl und H. Cava veröffentlicht – eine expressive, malerische Episode des kommunistischen Widerstands kurz vor der Machtergreifung Hitlers. Raúls Stil variiert in nicht immer verständlicher, aber außergewöhnlicher Art und fordert mit seinem Abstraktionsgrad stets die Aufmerksamkeit des Lesers. Selbe Zeit, selber Ort: Nach zehn Jahren ist bei Carlsen nun endlich der letzte Band von Jason Lutes‘ „Berlin“-Trilogie erschienen. Ende des Jahres erscheint die Gesamtausgabe, die dann ausführlich an dieser Stelle besprochen wird.
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