Im Interview spricht die Mitgründerin des ehrenamtlichen Kollektivs Schreibwerkstatt & MAW über die Anfänge und aktuelle Veränderungen.
choices: Marie, du hast 2017 die Schreibwerkstatt ins Leben gerufen, aus der 2019 die Lesereihe Mit anderen Worten (MAW) entstanden ist. Wie kam es dazu?
Marie Foulis: Clara, Leonie (die Mitglieder des Kollektivs möchten nur mit Vornamen erwähnt werden, Anm. d. Red.) und ich haben während unseres Studiums bemerkt, dass wir das kreative Schreiben vermissen. Die uns bekannten Initiativen – wo Texte mitgebracht, besprochen, bewertet werden – haben aber nicht den spielerisch-urteilsfreien Raum geboten, den wir uns gewünscht hätten, um überhaupt ins Schreiben zu kommen. Also haben wir ein Facebook-Event erstellt, uns im Café getroffen – und siehe da: Es sind tatsächlich Leute aufgetaucht, die Lust hatten, mitzumachen. Ähnlich war es mit MAW: Manfred und ich bedauerten, dass in der Schreibwerkstatt regelmäßig richtig gute Texte entstehen, die kaum jemand zu hören bekam. Um das zu ändern, haben wir im Hinterzimmer unseres damaligen Stammcafés eine Textbühne eingerichtet.
Bei MAW lesen nicht nur Mitglieder der Schreibwerkstatt, sondern auch andere Autor:innen. War das von Anfang an so gedacht?
Offen ist die MAW schon immer für alle! Das gehört zu unseren Ansprüchen: möglichst viele Perspektiven abzubilden, empfänglich für Neuartiges zu sein. Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis wir von Künstler:innen wahrgenommen wurden, die wir nicht gezielt gefragt haben. Inzwischen können wir stolz sagen, dass ständig neue talentierte Menschen zu uns auf die Bühne finden.
Gestartet ist MAW 2019 im Café Duddel, dann fand sie lange im Schmitzundkunzt statt. 2025 seid ihr ins Ehrenfelder Motoki umgezogen. Warum der erneute Wechsel?
Der Wechsel hat praktische Gründe: Oberhalb der letzten Location sollte zeitgleich ein Tanzkurs stattfinden. Vor allem ist die MAW aber gewachsen und es sollen alle bequem Platz haben.
Ihr organisiert die Schreibwerkstatt und MAW ehrenamtlich. Wie groß ist das Team mittlerweile? Habt ihr eine feste Aufgabenteilung?
Um die Organisation kümmern wir uns zu siebt: Lisa, Leo und ich kuratieren und moderieren, den arbeitsintensiven Bereich Kommunikation und Marketing schmeißen Jan, Judith, Lisa und ich. Bei Aufgaben wie Aufbau und Sound wirken neben Manfred und Guido alle mit. Und ohne die Unterstützung vieler weiterer Menschen, die ich jetzt oscardankesredenreif nicht alle aufzählen kann, wäre die MAW sowieso nicht denkbar.
Wie wählt ihr die Lesenden für eure Veranstaltungen aus?
Vielfalt ist für uns entscheidend. Wir möchten möglichst jedem Thema, jeder Stimme, jeder Form eine Bühne bieten. Deswegen auch „Prosa, Lyrik, Lyrics“: Es wird gelesen, gesungen und anderweitig performt. Im Vordergrund steht der Text und weniger die Person. Wenn uns ein Text überzeugt und sich in ein abwechslungsreiches Programm fügt, dann ist er dabei.
Ihr habt euch für ein solidarisches Preismodell beim Eintritt entschieden – warum? Klappt das gut?
Von einem Preismodell würde ich nicht sprechen: Der Eintritt ist frei! Natürlich freuen wir uns über Spenden. Der solidarische Aspekt ist uns aber wichtig: Wir möchten allen eine Chance auf Literatur geben. Die Spenden erlauben es uns, laufende Kosten zu tragen, vor allem aber, die Künstler:innen wertschätzend zu kompensieren.
Wenn du auf die vergangenen acht Jahre Schreibwerkstatt und sechs Jahre MAW zurückblickst: Worauf bist du besonders stolz? Was hast du gelernt?
Unmengen! Ich habe das Team gefragt: Stolz sind wir darauf, dass unser Konzept – low budget/high quality, Literatur von allen für alle – immer noch und immer wieder auf so viel Rückhalt stößt. Gelernt haben wir, wie elementar Sichtbarkeit für eine Veranstaltung ist, und: Wie offen und vielfältig die Kölner Literaturszene ist und wie viele tolle Möglichkeiten es für Literaturbegeisterte gibt, Anschluss zu finden.
Wie können sich Interessierte anmelden?
Zur Schreibwerkstatt könnt ihr einfach vorbeikommen. Um bei der MAW einen Text vorzutragen, haben wir monatliche Open Calls. Alle Termine gibt‘s auf Instagram unter @schreibwerkstattkoeln.
Mit anderen Worten | Nächster Termin: Fr 11.4. 20 Uhr | Motoki Wohnzimmer | @schreibwerkstattkoeln (Instagram)
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