Man kann rätseln, warum Peter Tschaikowskys berührendes Drama einer von Anfang an scheiternden Beziehung in dieser Spielzeit so häufig neu inszeniert wird. Lübeck, Heidelberg und Augsburg legten im Herbst vor, jetzt ziehen Düsseldorf und Bonn nach. Und wer will, kann sich auch noch Barbora Horákovás Produktion in Hannover oder Adolf Dresens klassische Inszenierung in Hamburg anschauen.
Am Rhein widmen sich zwei herausragende Regietalente den „lyrischen Szenen“ Tschaikowskys. Wie werden sie mit dem von Gefühlen überquellenden Drama umgehen, mit der Ahnung von Glück, die in gefühlskalter Rationalität und in einem Überschwang zynisch-zerstörerischer Emotionen zugrunde geht? Und die doch in Tschaikowskys seelenvoller, sensibler Musik gegenwärtig bleibt – bis zum finalen Verzweiflungsschrei des Dandys Onegin, der zu spät zur Wahrheit seiner Gefühle vordringt. „Das Glück war so nah, so nah …“, singt Tatjana, das Opfer ihrer schwärmerischen Liebe und der Ablehnung des Lebemanns Onegin. Die Menschen, die es verpasst haben, bleiben mit der Wunde ihres Verlustes zurück.
In Bonn befasst sich der in Moskau geborene Regisseur Vasily Barkhatov mit dem auf einem Versroman des russischen Dichters Alexander Puschkin basierenden Stoff. Barkhatov gehört zu den aufregendsten Newcomern im Regiefach, hat an der Rheinoper einen wohlüberlegten „Fliegenden Holländer“ inszeniert und für Bregenz die auch in Bonn gezeigte Oper „Siberia“ von Umberto Giordano erarbeitet. In Düsseldorf ist Michael Thalheimer am Werk, der an der Deutschen Oper am Rhein in seiner schnörkellos konzentrierten Art Giuseppe Verdis „Macbeth“ zum Triumph verholfen hat und dort ab 29. März auch mit Richard Wagners „Parsifal“ im Spielplan steht.
Die musikalische Leitung in Bonn übernimmt Hermes Helfricht, der schon in zahlreichen Produktionen seine Vielseitigkeit und sein dirigentisches Format bewiesen hat. Die Düsseldorfer Premiere leitet der designierte Chefdirigent der Rheinoper, Vitali Alekseenok, der aus Belarus stammt, in St. Petersburg und der Ukraine studiert und erste Erfahrungen gesammelt hat. Mit Ekaterina Sannikova (Tatjana) und Bogdan Baciu (Onegin) sind die führenden Rollen in Düsseldorf spannend besetzt; in Bonn versprechen Anna Princeva und Giorgos Kanaris ebenfalls hochklassige vokale Interpretationen.
Eugen Onegin | Deutsche Oper am Rhein, Düsseldorf | 25.2. (P), 1., 3., 9., 21., 24.3., 1., 4., 19.4., 10.5. | Oper Bonn | 3.3. (P), 10., 14., 17., 22.3., 7., 21., 25.4., 9., 30.5.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Besiegt Vernunft die Leidenschaft?
„Orlando“ an der Oper Köln – Oper in NRW 11/24
Unerwartet Kaiserin
„Der Kreidekreis“ in Düsseldorf – Oper in NRW 11/24
Horror und Burleske
Die Spielzeit 24/25 am Gelsenkirchener MiR – Oper in NRW 07/24
Opern-Vielfalt am Rhein
„Nabucco“ eröffnet in Düsseldorf die Spielzeit 2024/25 – Oper in NRW 06/24
„Kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialzeit“
Kapellmeister Hermes Helfricht über Werner Egks „Columbus“ an der Oper Bonn – Interview 06/24
Welt ohne Liebe
„Lady Macbeth von Mzensk“ am Theater Hagen – Oper in NRW 05/24
Die Gefahren der Liebe
„Die Krönung der Poppea“ an der Oper Köln – Oper in NRW 05/24
Absurde Südfrucht-Fabel
„Die Liebe zu den drei Orangen“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 04/24
Grund des Vergessens: Rassismus
Oper von Joseph Bologne am Aalto-Theater Essen – Oper in NRW 03/24
Täuschung und Wirklichkeit
Ein märchenhafter Opern-Doppelabend in Gelsenkirchen – Oper in NRW 02/24
Unterschätzte Komponistin?
„Der schwarze Berg“ an der Oper Dortmund – Oper in NRW 01/24
Geschlossene Gesellschaft
„Flight“ an der Oper Bonn – Oper in NRW 01/24
Der unfassbare Gott
Oper Bonn zeigt Arnold Schönbergs „Moses und Aron“ – Oper in NRW 12/23