Als Komponist und Sounddesigner ist Jörg Ritzenhoff seit vielen Jahren fest in der Rheinischen Tanzszene verwurzelt. Die Erfolge von CocoonDance in Bonn oder Tanzfuchs in Köln – beides Kompanien, die in NRW eine Spitzenförderung genießen – wären ohne die Produktionen aus der Klangküche des gebürtigen Düsseldorfers nicht denkbar. Als inzwischen festes Mitglied von Futur3 gewann er 2020 den Kurt-Hackenberg-Preis für politisches Theater mit der Produktion „1934 – Stimmen“. Den ehemaligen Gestapo-Keller des EL-DE-Hauses in Köln versah Jörg Ritzenhoff für diese Inszenierung mit einer beeindruckenden Klanginstallation. Wie muss man sich seine Arbeit für die Bühne vorstellen? Fasziniert hat ihn vor allem der Tanz, schon seit seinen Jugendjahren, wie sich der heute 61-Jährige erinnert. „Ich glaube, dass Tanz und Musik wesensverwandt sind. Beiden liegt die Erfahrung von Zeit, und wie man sie streckt oder verkürzt, zugrunde. Mich begeistert, wie dann beides im Raum funktioniert.“ Ritzenhoff ist keineswegs immer bei den Proben anwesend, wie er erklärt. Vielmehr liefert er nach Absprache modulare Klangpakete, mit denen die Gruppen dann arbeiten.
Für Barbara Fuchs hat Jörg Ritzenhoff zahlreiche Produktionen akustisch begleitet, die Hunderte Aufführungen erlebt haben und bis nach Japan hin gespielt wurden. Dabei handelt es sich um Kindertheater für die Kleinsten. „Aber genau davon hat CocoonDance dann profitiert“, fügt Ritzenhoff an und erklärt, dass Kinder immer vermuten, dass dort, wo der Sound herkommt, auch das Geschehen sei. So begann sich die hochprofessionelle Truppe von Cocoon unter der Leitung von Rafaele Giovanola und Reinald Endras vom Schema der Guckkastenbühne zu lösen und verlagerte die Tanzaktionen in den Raum. „Für mich ist das Theater kein Denkraum, sondern ein synästhetischer Raum, der die Sinne reizt“, meint Jörg Ritzenhoff.
Auf seine Weise hat Ritzenhoff dazu beigetragen, dass wir Tanzproduktionen der Freien Szene immer öfter wie bewegliche Installationen erleben. Das Publikum beobachtet aus wechselnden Perspektiven, die Spielfläche ist nicht definiert, so dass der Moment an Bedeutung gewinnt. „Wenn es gut ist, hat es etwas Skulpturales, als ob man die Musik sehen könnte“, erklärt der Komponist. Das nächste Experiment mit Tanzfuchs steht im Sommer an. Unter dem Arbeitstitel „Grün“ wird uns Jörg Ritzenhoff dann die Wachstumsgeräusche der Pflanzen hörbar machen.
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